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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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488 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

Variante. Solche Szenarien wurden zwar im Zusammenhang mit der Einführung der<br />

Gewerbefreiheit im 19. Jahrhundert vielerorts beschworen, faktisch eingetreten sind<br />

solche Prozesse jedoch in keinem europäischen Land. Das deutsche Handwerk hat sich<br />

übrigens – wie bereits oben festgestellt – in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts<br />

unter dem Regime des kleinen Befähigungsnachweises bemerkenswert gut entwickelt.<br />

Warum sollte dies in den zulassungsfreien Gewerben in Zukunft anders sein?<br />

Zu warnen ist allerdings vor einer Illusion: Das Handwerk agiert überwiegend auf<br />

Märkten, die – von konjunkturellen Schwankungen abgesehen – langfristig nur sehr<br />

bescheidene Expansionsaussichten haben. An diesen Tatsachen können Veränderungen<br />

des Handwerksrechts grundsätzlich nichts ändern. Sektorale Entwicklungstrends setzen<br />

sich sogar langfristig weitgehend unabhängig von der Ausgestaltung der institutionellen<br />

Rahmenbedingungen <strong>für</strong> den betreffenden Sektor durch. Es ist unrealistisch zu erwarten,<br />

dass per Änderungen institutioneller Rahmenbedingungen von der Art des Handwerksrechts<br />

einer im technologischen Entwicklungsprozess stagnierender Sektor sich in<br />

einen High-Tech-Sektor verwandeln könnte.<br />

Von den Auswirkungen auf das Handwerk insgesamt oder einzelnen Handwerksbranchen<br />

sind solche Effekte zu unterscheiden, welche von der Liberalisierung auf betrieblicher<br />

Ebene ausgehen. Ein intensiverer Wettbewerb durch Markteintritte Dritter wird<br />

sich zwangsläufig unterschiedlich auf die einzelnen am Markt agierenden Unternehmen<br />

auswirken. Weniger gut gehende Unternehmen geraten verstärkt unter Druck und sind<br />

existenziell gefährdet, d.h. es wird unter den bestehenden Unternehmen und unter den<br />

Neugründungen von Inhabern des Meistertitels zwangsläufig auch Verlierer, in diesem<br />

Sinne „Opfer der Reform“ geben. Dynamische Handwerksunternehmen werden die sich<br />

bietenden Chancen jedoch kreativ zu nutzen wissen. Mit Schmoller (1870: 666) könnte<br />

man sagen, dass die tüchtigsten Meister am ehesten von der Gewerbefreiheit profitieren.<br />

3.2.2.9. Niedergang des Mittelstandes?<br />

Das Handwerk bildet sicher einen wichtigen Teil der mittelständischen Wirtschaft. Die<br />

im Jahre 2002 etwa 560.000 bestehenden Handwerksunternehmen machen immerhin<br />

gut 15 % einer deutschen Unternehmenspopulation von rd. 3,5 Mill. aus. So bedeutend<br />

der Beitrag des Handwerks zur volkswirtschaftlichen Leistungserstellung auch sein<br />

mag, kaum nachvollziehbar sind Untergangsprophezeiungen, die neuerdings zuweilen<br />

an eine Aufhebung des Meisterzwangs geknüpft werden (z.B. Felleckner, Felleckner<br />

2003). Die betrieblichen Strukturen im Handwerk werden sich wahrscheinlich verändern,<br />

die Rolle der Interessenorganisationen des Handwerks mag sich wandeln, eines ist<br />

indessen gewiss. Die ökonomische Existenz des Handwerks als großer branchenübergreifender<br />

Wirtschaftsbereich ist durch eine Aufhebung des großen Befähigungsnachweises<br />

in keiner Weise in Frage gestellt.<br />

Eine eigenständige soziale Gruppe im soziologischen Sinn bilden die Handwerker heute<br />

zweifellos längst nicht mehr. Zu groß sind hier<strong>für</strong> die Differenzen zwischen den Gewerken<br />

des Industriezeitalters und den vorindustriellen Gewerken, zwischen Dienstleis-

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