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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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428 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

in allen entwickelten Volkswirtschaften eine erhebliche Rolle. Dem dualen System der<br />

beruflichen Erstausbildung der mitteleuropäischen Länder ist allerdings zugute zu halten,<br />

dass den Gesellen im Handwerk im Allgemeinen eine solide fachliche Ausbildung<br />

vermittelt wurde, auf die im späteren nichthandwerklichen Berufsleben in vielen aufgebaut<br />

werden konnte.<br />

Auch die Vermittlung nichtberufsspezifischer Schlüsselqualifikationen, die mit dem<br />

Stichwort „Kultur der Solidität“ umschrieben werden können, spielte eine nicht zu unterschätzende<br />

Rolle. Zugleich wäre es jedoch übertrieben zu sagen, dass das Handwerk<br />

in diesen Ländern die eigentliche Ausbildungsstätte der Industrie gewesen sei, hat die<br />

Unzufriedenheit der deutschen Industriellen mit der handwerklichen Vorbildung der in<br />

die Industrie strömenden Arbeitskräfte diese doch frühzeitig zum Aufbau eines aufwändigen<br />

eigenen beruflichen Ausbildungssystems motiviert (Hilbert, Südmersen, Weber<br />

1990: 24-25).<br />

Dem deutschen (bzw. mitteleuropäischen) Berufsbildungssystem ist indessen zugute zu<br />

halten, dass die Aufgabe der beruflichen Erstausbildung der Arbeitskräfte über viele<br />

Jahrzehnte hinweg insgesamt wohl besser gelöst wurde als in den alternativen Berufsbildungsmodellen<br />

Europas. Sowohl unter dem britischen System mit seiner starken Betonung<br />

eines informellen „training-on-the-job“ als auch unter dem stärker verschulten<br />

französischen System ist es nicht in gleichem Maße gelungen, breiten Bevölkerungsschichten<br />

eine berufliche Grundausbildung zu vermitteln, die berufliche Karrieren jenseits<br />

des ursprünglichen Tätigkeitsfelds erleichtert.<br />

Hier liegt ohne Zweifel ein bis in die Gegenwart hinein wirkende historische Verdienst<br />

des deutschen Handwerks, welches auf der Nutzenseite der staatlichen Regulierung des<br />

Handwerks, wenn auch nicht unbedingt des Meisterzwangs zu verbuchen ist. Nicht von<br />

ungefähr ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland im westeuropäischen Vergleich<br />

trotz der hohen Arbeitslosenquote relativ niedrig. Das deutsche Berufsbildungssystem<br />

war dazu in der Lage, auch geburtenstarke Altersjahrgänge weitgehend aufzunehmen.<br />

Dies wäre ohne die im Handwerk praktizierte Ausbildung über den eigenen Bedarf hinaus<br />

kaum möglich gewesen.<br />

Der erstaunliche Umfang der vom Handwerk weg führenden intersektoralen Fachkräftewanderung<br />

erklärt sich aus dem Ausbildungsüberschuss des Handwerks. In Frankreich<br />

z.B. ist die langfristige Mobilität der Arbeitskräfte, die ihre Erwerbskarriere im Handwerk<br />

beginnen z.B. deutlich niedriger. So waren nach einer Untersuchung des Forschungsinstituts<br />

des Statistischen Amtes 1993 noch 74,9 % aller männlichen Erwerbstätigen,<br />

die seinerzeit – unabhängig vom Eintrittsjahr - ihre Berufskarriere im Handwerk<br />

und Einzelhandel begonnen hatten, weiterhin im Handwerk tätig (Chapoulie 2000: 44).<br />

Bei den Frauen waren dies sogar 93,4 %.<br />

Im deutschen Handwerk waren hingegen 1992 nur 47,4 % der dort ausgebildeten Facharbeiter<br />

tätig. Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu interpretieren, sie lassen jedoch auf<br />

sich stark unterscheidende Mobilitätsmuster zwischen dem deutschen und französischen

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