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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel X: Modernisierung des Handwerksrechts 453<br />

Zuweilen wird der große Befähigungsnachweis, das stark vom Handwerk mit getragene<br />

berufliche Ausbildungssystem und der Erfolg „deutscher Wertarbeit“ auf den Weltmärkten<br />

in einen kausalen Zusammenhang gebracht. Zwar unterstützt das berufliche<br />

Ausbildungssystem – das wesentlich komplexer ist als die duale berufliche Erstausbildung<br />

– die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft. Es weist trotz seiner heutigen Reformbedürftigkeit<br />

starke, erhaltenswerte Züge auf. Man sollte aber nicht vergessen, dass<br />

der Meisterzwang erstmals zu einem Zeitpunkt (1935) eingeführt wurde, als Deutschland<br />

längst zu einer führenden Industriemacht aufgestiegen war.<br />

Der Siegeszug des „Made in Germany“ als Qualitätssiegel hatte bereits ein halbes Jahrhundert<br />

zuvor stattgefunden (Wölke 1985: 10-17). Deutsche Industriehersteller sahen<br />

sich – wie 100 Jahre später die Anbieter aus den neuen asiatischen Industriestaaten –<br />

gegenüber den britischen Herstellern zunächst in einer Außenseiterposition. Die Herkunftsbezeichnung<br />

„Made in Germany“ ging auf das britische „Merchandise Marks<br />

Act“ von 1887 zurück und war eindeutig protektionistisch motiviert. Was britische<br />

Kunden vom Kauf ausländischer „Schundware“ abhalten sollte, erwies sich im Falle der<br />

deutschen Industrieprodukte schnell als ein weltweit anerkanntes Qualitätssiegel. Technologischer<br />

Aufstieg und internationale Anerkennung der deutschen Industrieproduktion<br />

gingen mithin auch der Einführung des kleinen Befähigungsnachweises – der Kopplung<br />

der Ausbildungsberechtigung an den Meistertitel (1908) – voraus, ein kausaler<br />

Zusammenhang ist also nicht gegeben.<br />

Das Kriterium der Gefahrengeneigtheit ist aus heutiger ökonomischer Sicht dasjenige<br />

unter den zur Diskussion stehenden Kriterien, welches am ehesten dazu geeignet erscheint,<br />

eine Marktzulassung im Handwerk von formellen Qualifikationen abhängig zu<br />

machen. Einige Handwerke, die unter den derzeit in der Anlage A verzeichneten Handwerken<br />

eine relativ kleine Minderheit bilden, sind auf Güter und Leistungen spezialisiert,<br />

die bei nicht fachgerechter Ausführung Gefahren <strong>für</strong> die Allgemeinheit oder die<br />

jeweiligen Kunden mit sich bringen können. Fachliche Prüfungen unter staatlicher Kuratel<br />

und darauf basierende schriftliche Befähigungsnachweise hätten die Funktion, bei<br />

den Handwerkern ein Mindestmaß an einschlägigen Fachkenntnissen sicherzustellen<br />

und so das Risiko der nichtsachgemäßen Ausführung gefahrenträchtiger Arbeiten und<br />

der hiermit verbundenen Gefährdung <strong>für</strong> andere Personen zu begrenzen. Gänzlich wird<br />

man ein solches Risiko natürlich niemals ausschließen können, im Versagensfall tritt<br />

das Haftungsrecht bzw. das Strafrecht auf den Plan. Aber immerhin bildet die Gefahrengeneigtheit<br />

in vielen europäischen Ländern <strong>für</strong> den Staat den Anlass, Befähigungsnachweise<br />

zu verlangen; üblich sind z.B. einschlägige Befähigungsnachweise <strong>für</strong> Gas-<br />

und Elektroinstallateure oder Kraftfahrzeugtechniker. Die <strong>für</strong> die Ausübung solcher<br />

Tätigkeiten geforderten subjektiven Zulassungsvoraussetzungen sind allerdings in allen<br />

europäischen Ländern, welche die Gewerbefreiheit in diesem Punkt einschränken, viel<br />

niedriger als in Deutschland, Luxemburg und Österreich.<br />

In der ordnungspolitischen Diskussion spielt das „Gefahrenhandwerksargument“ von<br />

jeher eine zentrale Rolle. In der Tat regelt das deutsche System die Erfüllung von Mindeststandards<br />

in den Handwerksberufen in erheblichem Maße über die Meisterbildung.

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