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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel VI: Strukturwandel im Handwerk II: Zur Entwicklung ausgewählter Gewerke 289<br />

diesen Gewerken handelt es sich zumeist um Produzenten von Massengütern, die offensichtlich<br />

nicht mehr auf breiter Front im Wettbewerb mit der Industrie im In- und Ausland<br />

bestehen konnten. Oft konnten die stark schrumpfenden Branchen eine durchschnittliche<br />

Vergrößerung der Betriebseinheiten aufweisen. Das Weberhandwerk und<br />

die Backofenbauer bilden dabei eine Ausnahme. Hier verringerte sich sogar die durchschnittliche<br />

Betriebsgröße. Das letztgenannte Gewerk verlor aufgrund der technischen<br />

Entwicklung stark an Bedeutung. Das Bäckerhandwerk arbeitet mittlerweile fast ausschließlich<br />

mit computergesteuerten Backstationen. Folglich verliert ein klassischer<br />

Produzent von Vorleistungsgütern komplett seinen Markt.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es stets Handwerke mit einer langen Tradition<br />

gegeben hat, welche nur aus wenigen Unternehmen bestanden. Sie vermochten jedoch<br />

oft gezielt und mit hoher Flexibilität profitable Marktnischen zu bedienen. Gleichwohl<br />

hat die Mehrzahl der betrachteten Kleingewerke zumindest seit der Mitte des 20. Jahrhunderts<br />

einen erheblichen Bedeutungsverlust erlitten. Zumeist handelt es sich um Produzenten<br />

von Massengütern aus dem Holz-, Textil-, Leder- und Nahrungsmittelgewerbe.<br />

Das sagt jedoch noch nichts über die Chance einzelner Unternehmen aus, sich über<br />

geschickt gewählte Exit-Strategien in anderen Marktfeldern zu profilieren und dabei den<br />

Erfahrungsschatz des „Heimatgewerks“ (tacit knowledge) ausgiebig zu nutzen.<br />

8.3. Gegensätzliche Entwicklungsperspektiven <strong>für</strong> Kleingewerke<br />

8.3.1. Das Korbmacherhandwerk: Völliger Rückzug oder Revitalisierung?<br />

Unter den hier vorgestellten Kleinstgewerken haben die Korbmacher (in Westdeutschland)<br />

den intensivsten Schrumpfungsprozess durchlebt. Kleinstbetriebe dominieren das<br />

Gewerk. Eine letzte „Hochburg“ befindet sich in Oberfranken (Bayern), in der Umgebung<br />

der Stadt Lichtenfels. Hier existierten im Jahr 1996 rund 45 Betriebe mit knapp<br />

600 Beschäftigten, darunter 70 Heimarbeitern klassischer Prägung. Ein einziges Unternehmen<br />

operierte bis zur Mitte der neunziger Jahre in großem Maßstab mit über 200<br />

Mitarbeitern, welche zwischen 25 und 30% des gesamten Umsatzes im Korbmacherhandwerk<br />

erwirtschafteten (SBA 1996, Schamp 2000: 266-268).<br />

Diese Tatsachen dürfen jedoch nicht zu dem Schluss verleiten, dass alle nicht mehr<br />

durch eine Handwerkszählung erfassten Firmen aufhörten zu existieren. Vielmehr gelang<br />

es zahlreichen Unternehmen in den vergangenen fünf Jahrzehnten, erfolgreich<br />

Exit-Strategien umzusetzen und das schrumpfende Gewerk zu verlassen, bevor das eigene<br />

Unternehmen aufgegeben werden muss. Zahlreiche Betriebe begannen in den<br />

sechziger Jahren von der Korbproduktion auf die Herstellung von (Klein-)Möbeln zu<br />

wechseln. Jedoch gerieten diese „Aussteiger“ durch das Agieren großbetrieblich organisierter<br />

Möbelhändler in den achtziger und neunziger Jahren erneut unter einen enormen<br />

Wettbewerbsdruck. Eine andere Exit-Strategie wählten jene Betriebe, die sich in der<br />

Zeit des Baby-Booms der Herstellung von Flechtkörben <strong>für</strong> Kinderwagen widmeten.<br />

Seit dem Ende der fünfziger Jahre setzten sich hier jedoch Kunststoffe durch. Die ehemaligen<br />

Korbflechter folgten diesem Trend und verabschiedeten sich von ihrem traditi-

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