RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

Kapitel IV: Determinanten des Strukturwandels im Handwerk in der wissensbasierten Ökonomie 139
höhlung des Hausbankprinzips, zur Kreditrationierung insbesondere für die kleineren
Handwerksbetriebe und letztlich zur Durchsetzung angelsächsischer Verhältnisse. Andere
Beobachter – wohl die Mehrzahl der Experten – sehen in Basel II nicht den Auslöser,
sondern einen Katalysator des Wandels im Bankensektor. Für eine dritte Gruppe
von Beobachtern handelt es sich bei der Diskussion um Basel II um eine Alibidiskussion,
welche die Finanzierungsschwächen des Mittelstandes wie des Handwerks ignoriere,
die Wandlungen auf den Finanzmärkten nicht zur Kenntnis nehme und sich der
Durchsetzung leicht einsehbarer Grundanforderungen an ein zeitgemäßes rationales
Kreditmanagement widersetze.
Eckpunkte der geplanten Regelung stehen weitgehend fest (BIS 2002: 2). Danach dürfen
die Banken Unternehmen mit weniger als 50 Mill. € Umsatz – so der letzte veröffentlichte
Stand der Verhandlungen, – Kredite zu Vorzugskonditionen einräumen. Die
Eigenkapitalunterlegungsanforderungen werden für KMU-Kredite generell unter denen
für Kredite an große Unternehmen liegen. Das Ausmaß der Absenkung hängt von der
Größe des Unternehmens ab und liegt zwischen maximal 20% und 10% des gesamten
KMU-Portfolios. Des Weiteren dürfen die Banken die KMU-Kredite dem Retailbereich
(günstigere Unterlegungsvorschriften für Kleinkundenkredite) zuordnen, wenn die gesamte
Kreditlinie an das betreffende Unternehmen unter 1 Mill. € liegt. Faktisch könnte
damit ein erheblicher Teil aller Unternehmenskredite im Handwerk dem Retailansatz
unterworfen werden.
Bei Diskussion der Einflüsse von Basel II auf die Finanzierung im Handwerk sind mehrere
Wirkungsebenen zu unterscheiden (Lageman 2002). Erstens geht es um die wahrscheinlichen
Auswirkungen der ab 2006 geltenden Regelungen auf die Zinskonditionen
für Kredite an das Handwerk. Zweitens sind die Auswirkungen der Regelungen zur risikoadäquaten
Eigenkapitalunterlegung der Bankkredite auf das Kreditverhalten der Banken
zu untersuchen, insbesondere die Frage, ob es für bestimmte Segmente des kreditnachfragenden
Unternehmenssektors – z.B. für Handwerksgewerke in konkurrenzstarken
und/oder ertragsschwachen Branchen – zu einer durch Basel II induzierten Kreditrationierung
kommen könnte, die mit der veränderten Eigenkapitalunterlegung im Zusammenhang
steht. Drittens geht es um jene zunächst psychologischen, dann aber auch
immer mehr unternehmensstrategischen, organisatorischen und technischen Auswirkungen,
die Basel II bereits lange vor Inkrafttreten der Neuregelungen auf die Banken
einerseits und die Firmenkunden andererseits gehabt hat bzw. haben wird.
(1) Zu den direkten Auswirkungen von Basel II auf die Zinsen für Mittelstandskredite
liegen verschiedene Untersuchungen vor, die ein vielschichtiges Bild zeichnen.
Grunert et al. (2002) analysieren anhand realer Kreditdaten dreier deutscher Großbanken,
wie sich die Kalkulation der Kreditzinsen für KMU bei Einführung der
neuen Regelungen auf Basis eines „worst-case-Szenarios“ (Nichtberücksichtigung
der nunmehr geplanten erweiterten Anerkennung von Absicherungstechniken und
des Retailansatzes) gestalten würde. Ergebnis sind eine durchschnittliche Erhöhung
der Kreditzinsen von 245 Basispunkten und signifikant schlechtere Ratings für kleinere
Betriebe. Ein erheblich positiveres Bild ergibt sich bei Berücksichtigung der