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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel VIII: Die räumliche Dimension des handwerklichen Strukturwandels 353<br />

– Der enorme Nachholbedarf der ostdeutschen Bevölkerung an Konsumgütern und<br />

haushaltsbezogenen (Reparatur-)Diensten wirkte sehr stimulierend auf das Gründungsgeschehen<br />

im Handwerk. Die Entwicklungen im Kfz-Technikerhandwerk und<br />

im Friseurgewerbe liefern hier<strong>für</strong> beeindruckende Beispiele. Die günstigen Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung konsumorientierter Handwerke – hoher Bedarf<br />

bei den Endverbrauchern und relativ rasche Steigerung ihrer Kaufkraft durch<br />

Transferleistungen des Staates – wirkten sich aber auch entlastend auf den Arbeitsmarkt<br />

in den jungen Ländern aus.<br />

Die Ankurbelung der Nachfrage nach Handwerksleistungen durch öffentliche Bauinvestitionen<br />

und konsumnahe Transferleistungen trug erheblich zur Minderung arbeitsmarktpolitischer<br />

Probleme bei. Zum Zeitpunkt der Handwerkszählung 1995 stellte das<br />

Handwerk in vielen Regionen Ostdeutschlands mehr Arbeitsplätze bereit als die Industrie<br />

(Kornhardt, Rudolph 1994, Müller, Mecke 1997).<br />

2.2.2. Die Entwicklung des ostdeutschen Handwerks ab 1996<br />

Im Jahr 1995 hatte der Bauboom in den neuen Bundesländern seinen Höhepunkt überschritten.<br />

Insbesondere beim Wohnungsbau und im Bereich des gewerblichen Hoch-<br />

und Tiefbaus sank die Nachfrage drastisch. Die Branche wurde ab dem Jahr 1996 mit<br />

massiven Umsatzrückgängen konfrontiert. Das Baugewerbe verlor sukzessive seine<br />

Rolle als Lokomotive des Strukturwandels in Ostdeutschland. So sank beispielsweise<br />

im Freistaat Thüringen sein Anteil an der Bruttowertschöpfung von 16 % im Jahr 1995<br />

auf 11 % im Jahr 2000 (in Preisen von 1995; TMWAI 2001).<br />

Diese Entwicklung schlug sich – wenn auch mit zeitlicher Verzögerung – in den Beschäftigtenzahlen<br />

nieder. Zwischen 1996 und 2000 verzeichneten die bauaffinen Gewerbegruppen<br />

I bis III in Thüringen Rückgänge der Beschäftigtenzahl von 17 % bis<br />

22 %. Sowohl im Bauhauptgewerbe als auch im Ausbaugewerbe mussten die Unternehmen<br />

der oberen Beschäftigungsgrößenklassen die schwersten Einbußen hinnehmen.<br />

Betriebe mit 50 und mehr Mitarbeitern erlitten in diesem Zeitraum Beschäftigungsverluste<br />

von durchschnittlich mindestens 40 %. Hingegen verzeichneten die Gruppen der<br />

Kleinst- und Kleinunternehmen Beschäftigungsgewinne von bis zu 110 % (TMWAI<br />

2001).<br />

Dieser Bedeutungsgewinn von kleinen Unternehmen im Bauhandwerk ist ein Phänomen,<br />

welches alle ostdeutschen Länder erfasst hat. Einerseits traten ehemals beschäftigungsstarke<br />

Unternehmen aufgrund massiver Entlassungen in niedrigere Größenklassen<br />

über. Andererseits kam es im Gefolge des Auseinanderbrechens großer Baufirmen zu<br />

zahlreichen Neugründungen kleiner Betriebe. Diesen gelingt es jedoch immer weniger<br />

als selbständige Ansprechpartner gegenüber den Bauherren in Erscheinung zu treten.<br />

Vielmehr sind sie gezwungen, ihr Überleben als Subunternehmer mit entsprechenden<br />

Ertragseinbußen zu sichern. Auch das Phänomen der schwer zu beziffernden Schein-

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