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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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404 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

und kleine Mittelbetriebe zugerechnet. Der <strong>für</strong> die Identität des deutschen Handwerks so<br />

wichtige große mittelständische und großbetriebliche Bereich ist im Nachbarland also<br />

jenseits der Grenzen der institutionell definierten Handwerkswirtschaft situiert. Das<br />

französische Handwerk entspricht somit, so könnte man auch sagen, viel stärker als das<br />

deutsche, dem zum Teil in Deutschland gepflegten Selbstbild vom stark in der Schichtungsstruktur<br />

der Gesellschaft verankerten handwerklichen Mittelstand, der sich vornehmlich<br />

aus patriarchalisch geführten Kleinunternehmen rekrutiert. Traditionell geprägte<br />

soziale Bindung und ein primär berufsbezogenes Identitätsgefühl sind vor diesem<br />

Hintergrund im französischen „artisanat“ durchaus präsent.<br />

Das Gründungs- und Schließungsgeschehen und somit auch die Lebensdauer der Neugründungen<br />

sind im französischen Handwerk in hohem Maße davon abhängig, inwieweit<br />

fachliche Prüfungen Voraussetzung <strong>für</strong> den Marktzugang sind. In den Handwerken<br />

mit einem „diplôme de droit“ ist der Nachweis einer beruflichen Prüfung – die im<br />

Niveau etwa der deutschen Gesellenprüfung vergleichbar ist – Voraussetzung <strong>für</strong> die<br />

Selbständigkeit. Hierzu zählen u.a. die Bäcker, Fleischer, Friseure, der handwerkliche<br />

Handel (Kfz-Techniker, Uhrmacher) und Handwerke aus dem Baubereich (z.B. Möbeltischler,<br />

Zimmerer, Installateure). In den Handwerken mit einem „diplôme de fait“ wirken<br />

verbandliche Mechanismen stark auf die Erlangung eines Diploms – in der Regel<br />

Nachweis einer erfolgreich abgeschlossenen Lehre. Der Marktzugang wird jedoch denjenigen,<br />

die nicht über diesen Abschluss verfügen, nicht verwehrt. In anderen Handwerken<br />

ist der Marktzugang gänzlich frei.<br />

Wie nicht anders zu erwarten, sind die Gründungsquoten (Gründungen zum Bestand)<br />

in den Handwerken, in denen der Marktzugang nur über rechtlich sanktionierte Diplome<br />

möglich ist, am niedrigsten und in den Handwerken mit voller Gewerbefreiheit am<br />

höchsten (vgl. Tabelle IX-6). Für das erste Halbjahr 1994 wurden gemessen: 2,1 % <strong>für</strong><br />

die Gewerke mit einem „diplôme de droit“, 2,7 % <strong>für</strong> die Handwerke mit „diplôme de<br />

fait“ und <strong>für</strong> die freien Handwerke hingegen 3,0 % (Estrade, Missègue 2000: 163).<br />

Hochgerechnet auf das gesamte Jahr hätten sich somit Werte von 4,2 %, 5,2 % und 6 %<br />

ergeben. Die Übereinstimmungen mit den deutschen Gründungsquoten sind frappierend:<br />

Diese lagen im westdeutschen Handwerk 1970 bis 2000 zwischen 3 und 5 %. In<br />

2002 lag die Gründungsquote im gesamtdeutschen Handwerk bei 4,7 %. 125 In den<br />

handwerksähnlichen Gewerken lag die Gründungsquote 2002 allerdings bei 10,2 %.<br />

Tabelle IX-6<br />

Fünf-Jahres-Überlebensraten französischer Unternehmen<br />

nach Unternehmenskategorien<br />

125 Die hier angeführte Gründungsquote stellt, wie dies in der internationalen Statistik, also auch in der<br />

zitierten französischen Quelle, üblich ist, auf Neugründungen ab, während Betriebsübernahmen nicht<br />

mit gezählt werden. Im deutschen Handwerk hat sich eine andere Messpraxis entwickelt, woraus höhere<br />

Gründungsquoten resultieren: Hier werden Neugründungen und Betriebsübernahmen im Begriff<br />

der „Existenzgründung“ subsumiert. Es gilt die Faustregel: Auf die Gründungsquote der Neugründungen<br />

sind jeweils rd. 2 % <strong>für</strong> die Betriebsaufnahmen aufzuschlagen, um zur „Existenzgründungsquote“<br />

zu gelangen.

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