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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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442 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

Wer allerdings hofft, von den Freiburger Ordoliberalen oder aus dem Umfeld der Theoretiker<br />

um Müller-Armack klare Äußerungen zur Handwerksordnung zu finden, wird<br />

weithin enttäuscht (Tuchtfeldt 1955: 68-76). Zwar finden sich in ihren Schriften viele<br />

Äußerungen zu alter und neuer Mittelstandspolitik, auch ein allgemeines Raisonnieren<br />

über Zulassungsbeschränkungen und sonstige Einschränkungen der Gewerbefreiheit,<br />

kaum jedoch Konkretes über die Handwerksordnung in der politischen Debatte um die<br />

Bestätigung des großen Befähigungsnachweises in den späten vierziger und frühen Jahren.<br />

Tuchtfeldt (1955: 76) weist zurecht darauf hin, dass sich die Theoretiker der sozialen<br />

Marktwirtschaft hier wohl in dem Dilemma sahen, dass die logischen Schlüsse aus<br />

der (ordo-) liberalen Wirtschaftstheorie nur schwer mit den wirtschaftspolitischen Vorstellungen<br />

der Wählermassen der bürgerlichen Parteien in Einklang zu bringen waren.<br />

Alfred Müller-Armack selbst fand sich als Leiter der wirtschaftspolitischen Grundsatzabteilung<br />

im Bundeswirtschaftsministerium (ab 1952) in einer exponierten Position.<br />

Zwar lag der Initiativantrag der Regierungsparteien zur Bestätigung des großen Befähigungsnachweises<br />

(1950) zu diesem Zeitpunkt schon zwei Jahre zurück, abgeschlossen<br />

war der Vorgang indes noch längst nicht. 148 Im August 1950 bat Bundeskanzler Adenauer,<br />

der eine Bestätigung des Gesetzes von 1935 eindeutig be<strong>für</strong>wortete, das Bundeswirtschaftsministerium,<br />

Argumente zusammenzustellen, die gegen eine bedingungslose<br />

Gewerbefreiheit im Sinne der Grundsätze der Alliierten Hohen Kommission zur<br />

Gewerbepolitik sprächen (Scheybani 1996: 252-253). Heraus kam dabei zunächst ein<br />

Papier, das in seiner differenzierenden Stellungnahme in der Grundintention wohl eher<br />

den Vorstellungen der heutigen Regierungskoalition entsprach als den Absichten der<br />

Anhänger des großen Befähigungsnachweises. Die Endfassung des gründlich überarbeiteten<br />

Papiers lag dann ganz auf der offiziellen Linie der Bundesregierung. Ludwig Erhard<br />

selbst hat sich – wie auch Alfred Müller-Armack – bezüglich der Handwerksordnung<br />

kaum in der Öffentlichkeit exponiert. 149 An seinem grundsätzlichen, vielleicht nur<br />

zögerlich und widerstrebend gegebenen Einverständnis, kann allerdings kein Zweifel<br />

bestehen. 150 Umso auffälliger ist, dass Erhard später das Ansinnen der Interessenvertre-<br />

148 Die Länge des Verfahrens (1950-1953) überrascht. Als Ursachen sind die Widerstände seitens der<br />

einspruchsberechtigten Alliierten Hohen Kommission (Watrin 1958: 9), aber auch Meinungsverschiedenheiten<br />

in der ersten Bundesregierung und im Bundesrat auszumachen. 1953 führte wohl die<br />

im Herbst anstehende Bundestagswahl zu einer Beschleunigung des Verfahrens.<br />

149 Dies ist das Ergebnis einer Recherche im Archiv der Ludwig-Erhard-Stiftung. In Stellungnahmen zu<br />

Handwerksfragen, so auf einer Rede vor der Zentralarbeitsgemeinschaft des Handwerks im Vereinigten<br />

Wirtschaftsgebiet am 21. Oktober 1948 in Frankfurt/Main, enthielt sich Erhard einer klaren<br />

Meinungsäußerung zum Handwerksrecht (Erhard 1948). Der Bundeswirtschaftsminister hatte sich<br />

auch nicht aktiv an der Debatte der ersten Lesung über den von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP<br />

und DP eingebrachten Antrag über die Handwerksordnung am 26. Oktober 1950 beteiligt (so z.B.<br />

Deutscher Bundestag 1950). Hentschels Erhardbiografie erwähnt die Handwerksordnung übrigens<br />

nicht (Hentschel 1996).<br />

150 Explizite Äußerungen des ersten Bundeswirtschaftsministers zum großen Befähigungsnachweis sind<br />

rar. Wir haben nur einen einschlägigen Artikel aus Erhards Hand gefunden (Erhard 1962), der auch<br />

vom ZDH zitiert wurde (ZDH 2003c). Was bei den einschlägigen Äußerungen Ludwig Erhards im<br />

Einzelnen kalkulierter politischer Pragmatik, tiefer empfundener Überzeugung oder nicht allzu ernst

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