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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel X: Modernisierung des Handwerksrechts 495<br />

praktisch Machbaren, das im politischen Prozess eben noch durchsetzbar ist. Wichtig ist<br />

dabei, nicht zu vergessen und nicht zu verstecken, in welchen Punkten und aus welchen<br />

Gründen Ratschläge pragmatisch sind.<br />

Wir plädieren vor diesem Hintergrund <strong>für</strong> einen grundlegenden Kurswechsel in der<br />

Handwerksordnungspolitik. Die Novellierung des Handwerksrechts sollte einem langfristigen<br />

Paradigmenwechsel zum Durchbruch verhelfen: 176 War die Handwerksordnung<br />

bislang in erster Linie eine „Marktzutrittsordnung“, so sollte sich das künftige<br />

Handwerksrecht primär als „Qualifizierungsordnung darstellen. Für den Marktzutritt<br />

sollte auch im Handwerksbereich das Prinzip der Gewerbefreiheit gelten.<br />

Obligatorische Befähigungsnachweise sollten auf ein striktes Minimum begrenzt werden<br />

– auf die Kernbereiche solcher Tätigkeiten, deren fehlerhafte Ausübung tatsächlich<br />

mit Gefahren <strong>für</strong> Leib und Leben der Kunden verbunden ist. Der Nachweis der notwendigen<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten sollte sich ausschließlich auf den technischen Kern<br />

der fraglichen Tätigkeiten beziehen. In den betreffenden Gewerken dürfte in den meisten<br />

Fällen die Gesellenprüfung zum Nachweis des harten Kerns wirklich kritischer<br />

Kenntnisse und Fertigkeiten bei der Ausführung der gefahrengeneigten Tätigkeiten ausreichen.<br />

In anderen Fällen werden – wie bislang schon üblich – spezielle Zertifikate zu<br />

fordern sein.<br />

Der Meistertitel sollte im liberalisierten Handwerksrecht eine andere – aber keineswegs<br />

im Vergleich zum bisherigen Zustand weniger wichtige – Funktion erhalten. An die<br />

Stelle des aus dem ständischen Ordnungsdenken des 19. Jahrhunderts entstandenen großen<br />

Befähigungsnachweises tritt ein staatlich geschützter Meister als Qualitätssiegel,<br />

der zwar keine „Torwächterfunktion“ im Hinblick auf die berufliche Selbständigkeit<br />

mehr hat, aber den Meisterbetrieben durch eigene Qualifikationsanstrengungen erworbene<br />

legitime Wettbewerbsvorteile in der Konkurrenz mit nichtmeisterlichen Handwerksbetrieben<br />

und nichthandwerklichen Konkurrenten verschafft. Der Handwerksmeister<br />

sollte künftig nach Schweizer Vorbild mit nichthandwerklichen höheren, auf<br />

dem beruflichen Bildungsweg erworbenen Berufsanschlüssen auf Meisterniveau völlig<br />

gleichgestellt werden. Dies hätte den Vorzug, dass sich die angehenden Handwerksmeister<br />

auf „gleicher Augenhöhe“ z.B. mit angesehenen neuen per Aufstiegsfortbildung<br />

erworbenen Abschlüssen im IT-Bereich sähen.<br />

Sobald der Vorbehaltsbereich entfiele, sollten die Handwerksorganisationen das Recht<br />

erhalten, per freien Entscheid Meisterqualifikationen auch <strong>für</strong> andere Wirtschaftsbereiche<br />

anzubieten, welche bislang dem institutionell definierten Handwerk nicht angehörten.<br />

Diese Angebote wären jeweils nach dem in der deutschen Berufsbildung üblichen<br />

Prüfverfahren durch das BIBB zu überprüfen und bei positivem Entscheid durch<br />

das Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit zu bestätigen. Die Be<strong>für</strong>chtung anderer<br />

Teile der Wirtschaft und der staatlichen Instanzen, es ginge dem Handwerk darum,<br />

176 Eine ähnliche Formulierung findet sich in BWHT 2003, dort allerdings mit ganz anderem handwerkspolitischen<br />

Tenor, der mit dem des ZDH (2003b) übereinstimmt.

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