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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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494 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

4. Reformvorschlag des <strong>RWI</strong><br />

4.1. Paradigmenwechsel in der Entwicklung des Handwerksrechts<br />

Eine Modernisierung des Handwerksrechts erscheint im stark veränderten deutschen<br />

und europäischen wirtschaftlichen und sozialen Umfeld des 21. Jahrhunderts dringend<br />

geboten. Das geltende Handwerksrecht erscheint mit seiner Festlegung eines nur durch<br />

Meisterbetriebe zu bedienenden Vorbehaltsbereichs, seinen statischen Gewerkeabgrenzungen<br />

und seiner unzeitgemäßen Fixierung auf einmalig zu erwerbende Qualifikationen<br />

in der heutigen Welt als zunehmend anachronistisch. Die hieraus erwachsenden<br />

behördlichen Akte seitens der Ordnungsämter und Handwerkskammern und die dabei<br />

ausgelösten Rechtsstreitigkeiten sind nicht nur mit erheblichen Kosten verbunden, sondern<br />

sie beeinflussen das soziale und wirtschaftliche Klima in Deutschland ungünstig.<br />

Auf dem Markt etablierte Handwerksunternehmen erhalten durch das geltende Recht<br />

Anreize, sich durch Ausnutzung der Bestimmungen der Handwerksordnung unliebsamer<br />

Konkurrenten zu erwehren. Besitzstandsdenken und mangelnde Mobilität werden<br />

durch das geltende Recht ermutigt, Initiative und Flexibilität werden abgeblockt. Es<br />

macht keinen Sinn, nach einer „Kultur der Selbständigkeit“ zu rufen und Unternehmensgründungen<br />

mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern und<br />

zugleich an anderer Stelle in Gestalt handwerksrechtlicher Bestimmungen bürokratische<br />

Barrieren <strong>für</strong> kleingewerbliche Gründungen aufzubauen, deren wirtschaftliche Logik<br />

nicht nur dem Durchschnittsbürger unbegreiflich, sondern auch aus Sicht der modernen<br />

Ökonomie nicht nachvollziehbar ist.<br />

Eine Reform der Handwerksordnung sollte der unerträglichen Praxis der Abmahnungen,<br />

der kleinlichen Rechtsstreitigkeiten um absurde Berufsabgrenzungsfragen, der Diskriminierung<br />

kleiner Existenzgründer, die auf der Schattenseite des wirtschaftlichen Lebens<br />

stehen, ein Ende bereiten. Eine solche Reform sollte aber auch das Handwerk, einen<br />

sehr großen Wirtschaftsbereich, der einen bedeutenden Beitrag zur wirtschaftlichen<br />

Entwicklung Westdeutschlands in den vergangenen Jahrzehnten und zum wirtschaftlichen<br />

Aufbau Ostdeutschlands geleistet hat, auf eine stimulierende Art in die Zukunft<br />

mitnehmen und zur kreativen Mitwirkung am Bau der Strukturen der wissensbasierten<br />

Ökonomie einladen.<br />

Reformen institutioneller Strukturen sind in der praktischen Politik, zumal im deutschen<br />

föderalen und korporatistischen System, in der Regel nicht in einem Schritt zu bewältigen.<br />

Dies gilt wohl auch <strong>für</strong> das Handwerksrecht. In jeder der bisherigen Novellen – die<br />

allerdings im Unterschied zum jetzigen Regierungsentwurf das Kernproblem einer unverhältnismäßig<br />

hohen Regulierungshürde im Handwerk umgangen haben – war bereits<br />

die Herausforderung zur nächsten Novelle angelegt. Der vorliegende Entwurf unterscheidet<br />

sich zwar in substanzieller Weise von früheren Novellen, ist aber nicht in allen<br />

Punkten konsequent. Das Problem der gefahrengeneigten Gewerke z.B. könnte man<br />

sicher auch mit moderateren Mitteln lösen als mit dem obligatorischen großen Befähigungsnachweis.<br />

Wirtschaftspolitische Beratung sieht sich stets dem Dilemma ausgesetzt,<br />

sich entweder an einem – so nicht umsetzbaren – Idealbild zu orientieren oder am

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