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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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194 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

mit erheblichen körperlichen Belastungen verbunden (insbesondere die Bauberufe) und<br />

bieten – abgesehen von der Selbständigkeit im Handwerk – vergleichsweise geringe<br />

Aufstiegschancen. Hinzu kommt speziell seit den späten neunziger Jahren die wirtschaftlichen<br />

Probleme der meisten Handwerkszweige, insbesondere des Baugewerbes,<br />

die das Interesse an einer beruflichen Erastausbildung im Handwerk zusätzlich dämpfen<br />

dürften. Es liegt angesichts der realen ökonomischen Bedingungen der Berufstätigkeit<br />

in weiten Bereichen der Handwerkswirtschaft nahe, dass das Sozialprestige vieler<br />

Handwerksberufe eher niedrig ist. Diese Prestigefrage wird im Handwerk mit unterschiedlichen<br />

Akzenten seit Jahrzehnten diskutiert, allerdings nicht immer ganz realistisch,<br />

was die realen wirtschaftlichen Anreizfaktoren angeht.<br />

Faktisch sind die Löhne im Handwerk fast durchweg niedriger als in der Industrie. Überdies<br />

gibt es ein ausgeprägtes Größengefälle im Lohnniveau zwischen großen, mittleren<br />

und kleinen Unternehmen in der Gesamtwirtschaft, aber auch innerhalb des Handwerks,<br />

wie zuletzt die Handwerkszählung 1995 gezeigt hat. Auch wird der „Geborgenheitsfaktor“<br />

der in mittelstandspolitischen Diskussion mit der Beschäftigung in Kleinbetrieben<br />

assoziiert wurde, bisweilen etwas überzeichnet. Industrielle Großunternehmen<br />

hatten ihren Arbeitnehmer zumindest bis zu den Restruktuktuierungen der neunziger<br />

Jahre Einiges zu bieten, insbesondere auch ein Ausmaß der Arbeitsplatzsicherheit, das<br />

in den stärker existenzgefährdeten Klein- und Mittelbetrieben undenkbar war.<br />

Dies ist auch die eigentliche Quelle der intersektoralen Wanderungsbewegungen, die<br />

seit Beginn der Industrialisierung stets vom Handwerk zur Industrie, zunehmend aber<br />

auch in die nichthandwerklichen Dienstleistungsbereiche führte. Der hier angesprochene<br />

Nettowanderungssaldo zwischen Handwerk und Industrie ist bis zum heutigen Tage<br />

negativ bzw., positiv gewendet, das Handwerk bildet über den eigenen Bedarf hinaus<br />

massiv <strong>für</strong> nichthandwerkliche Wirtschaftsbereiche aus. Dieses herkömmliche Wanderungsmuster<br />

ist freilich durch die technologische Entwicklung in der Wissensgesellschaft<br />

zunehmend in Frage gestellt. Was bislang als Stärke der überproportionalen beruflichen<br />

Erstausbildung im Handwerk galt, könnte sich dann aus volkswirtschaftlicher<br />

Sicht als nachteilig erweisen, wenn eine wachsende Kluft zwischen den in der Wissensgesellschaft<br />

vor allem nachgefragten und den vom Handwerk überwiegend vermittelten<br />

Qualifikationen entstünde. Fürs erste scheint dies allerdings noch kein dringendes Problem<br />

zu sein. Vielmehr leistet das Handwerk, darunter die Handwerksberufe, die sich <strong>für</strong><br />

die Schulabgänger eher als zweite oder dritte Wahl darstellen, einen unverzichtbaren<br />

Beitrag zur Lösung akuter Lehrstellenprobleme.<br />

Aus volkswirtschaftlicher Sicht, sind die Selektionseffekte unter den Schulabgänger „zu<br />

Ungunsten“ des Handwerks vor diesem Hintergrund keineswegs ein Problem. Vielmehr<br />

ist es dem Handwerk als Verdienst anzurechnen, dass es gerade Jugendlichen mit geringer<br />

schulischer Vorbildung die Chance einer ordentlichen beruflichen Erstausbildung<br />

gibt. Zumindest eine moralische Unterstützung des Handwerks bei Betreuung der Auszubildenden<br />

mit besonders schlechter Schulbildung durch die staatlichen Instanzen erscheint<br />

angebracht – nicht zuletzt mit Blick auch auf die extrem hohe Abbrecherquote<br />

in der beruflichen Erstausbildung des Handwerks.

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