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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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32 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

andererseits, wie die neuen Handwerksberufe des Industriezeitalters zeigen, auch neu<br />

erworben werden.<br />

Die Gebäudereiniger bieten ein gutes Beispiel <strong>für</strong> den Prozess der Wandlung eines<br />

nichthandwerklichen Kleingewerbes, das seinen Ursprung im Industriezeitalter hat, zum<br />

handwerklichen Gewerk. Vor 1914 begriffen sich weder die Selbständigen des Reinigungsgewerbes<br />

als Handwerk, noch erkannten die Handwerksorganisationen ihm die<br />

Handwerkseigenschaft zu (Seumer 1998: 92-111). Das Interesse an der Bildung eigener<br />

Innungen und an einem Anschluss an das organisierte Handwerk war wohl zunächst auf<br />

eine aktive Minderheit unter den Betriebsinhabern begrenzt. Nach dem Ersten Weltkrieg<br />

fand der Ruf nach der Wandlung zum Handwerk größeren Widerhall, und die amtliche<br />

Anerkennung 1934 – gemeinsam mit den Wäschern und Plättern sowie den Rossschlächtern<br />

– stieß insbesondere bei den meisten Kleinselbständigen des Gewerbes auf<br />

positive Resonanz. Der Anschluss der Gebäudereiniger an das Handwerk nimmt sich<br />

indessen in der Rückschau keineswegs als zwangsläufig aus. Die Verbandsleitung nahm<br />

Anfang der dreißiger Jahre eher eine passive Haltung zur Eingliederung in das Handwerk<br />

ein. Verschiedene Zufälle haben die Aufnahme der Gebäudereiniger in die erste<br />

Positivliste (HwO 1935) begünstigt.<br />

Dem neueren Handwerksrecht ist die Flexibilität , welche die Körperschaft „Handwerk“<br />

im 19. und frühen 20. Jahrhundert an den Tag legte, eher wesensfremd und der<br />

Berufsbestand des institutionell definierten Handwerks erwies sich – von der häufigen<br />

Aufspaltung und Zusammenlegung bestehender Berufe abgesehen – als weitgehend<br />

stabil. Das Recht schreibt den Status quo fest, stärkt die interne Kohäsion der handwerklichen<br />

Berufe, wirkt aber zugleich nach außen abschließend. Es ist wohl kein Zufall,<br />

dass in den Nachkriegsjahrzehnten – abgesehen von den oben bereits angesprochenen<br />

Gerüstbauern – kein einziger größerer neuer Beruf zum Handwerk gestoßen<br />

ist. Im Rahmen der Gewerberechtsnovelle von 1929, in der die Führung von Handwerksrollen<br />

und die Eintragungspflicht der Handwerksbetriebe verbindlich gemacht wurde,<br />

nicht jedoch der große Befähigungsnachweis, wurde die Handwerkswirtschaft im Wesentlichen<br />

so definiert wie heute. Die Handwerksordnung von 1935 (Reichsgesetzblatt<br />

1935), in der erstmals der große Befähigungsnachweis verbindlich gemacht wurde, hielt<br />

sich dann – abgesehen von den eben angesprochenen Ergänzungen der Positivliste –<br />

weitgehend an diese Abgrenzung, ebenso die Handwerksordnung von 1953 (Bundesgesetzblatt<br />

1953: 1430-1431). Seither hat sich am Berufsbestand des Handwerks nicht<br />

Substanzielles geändert. 13 Versuche des Handwerks, den eigenen Zuständigkeitsbereich<br />

und damit den Geltungsbereich der Meisterpflicht auszudehnen, stoßen auf massive<br />

Vorbehalte in den nichthandwerklichen Teilen der Wirtschaft, in der staatlichen Bürokratie<br />

und in nicht unerheblichen Teilen der Öffentlichkeit.<br />

13 Eine wichtige Ausnahme bildet die Verlagerung der Gerüstbauer von B nach A in der Novelle 1998.<br />

Im Gegenzug hat das Handwerk wohl im Rahmen eines „Kompensationsgeschäfts“ der Verlagerung<br />

mehrerer Kleingewerke von A nach B zugestimmt.

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