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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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12 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

Der ökonomische Differenzierungsprozess im Handwerk führte zudem dazu, dass<br />

Merkmale handwerklichen Wirtschaftens, die im 19. Jahrhundert noch durchaus <strong>für</strong> den<br />

größten Teil der Handwerksbetriebe – wie auch <strong>für</strong> nichthandwerkliche Bereiche des<br />

Kleingewerbes – typisch waren, zunehmend an Bedeutung verloren haben (Dürig 1998,<br />

2002). Von einer dominierenden Personalität als Charakterzug der handwerklichen Produktion<br />

kann heute höchstens noch im idealtypischen Sinn – bezogen auf die große Zahl<br />

kleiner Handwerksunternehmen – gesprochen werden. Die Individualität handwerklichen<br />

Produzierens wird vielfach durch die Teilnahme an der industriellen Serienproduktion<br />

und Massenfertigung in Frage gestellt (vgl. Abschnitt 2.3.). Von einer Konzentration<br />

auf lokale Märkte kann heute nur noch bei einem Teil der Handwerksbetriebe gesprochen<br />

werden. Der Modernisierungsprozess des Handwerks führt dahin, dass sich<br />

immer größere Teile der Handwerkswirtschaft von einem historisch überkommenen<br />

Idealbild entfernen, welches sich im Wesentlichen an den Verhältnissen des ausgehe nden<br />

19. Jahrhunderts orientiert.<br />

Der Versuch, den Begriff des „Handwerks“ exakt zu definieren, hat, so ist festzuhalten,<br />

zu keinen überzeugenden Ergebnissen geführt. Alle Definitionsversuche enthalten zweifellos<br />

Elemente, die zutreffend und mit der Handwerksentwicklung verbunden sind. Sie<br />

sind jedoch nicht in der Lage, der Heterogenität der Erscheinungsformen des Handwerks<br />

gerecht zu werden.<br />

Selbst das Handwerksrecht, das dem Handwerk durch den großen Befähigungsnachweis<br />

eine Sonderstellung verleiht, verzichtet auf eine nähere Bestimmung der Wesensmerkmale<br />

handwerklicher Betätigung, sondern definiert pragmatisch: „Ein Gewerbebetrieb<br />

ist Handwerksbetrieb im Sinne dieses Gesetzes, wenn er handwerksmäßig<br />

betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist,<br />

oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die <strong>für</strong> dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche<br />

Tätigkeiten) (§ 1 HwO, 1998). Die Feststellung der Handwerksmäßigkeit einer Tätigkeit<br />

– zumeist in Abgrenzung zur industriellen Produktion – erweist sich in der Praxis<br />

als sehr schwierig, wie im Weiteren zu zeigen sein wird.<br />

Im schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses <strong>für</strong> Mittelstandsfragen von 1965,<br />

der sich mit der ersten Novellierung der Handwerksordnung von 1953 befasste, wurde<br />

festgestellt, dass es keine eindeutige Definition des Begriffs „Handwerk“ gebe, die <strong>für</strong><br />

die Organisationen, die wirtschaftliche Selbstverwaltung des Handwerks, die aufsichtsführenden<br />

Behörden und die Gerichte praktikabel sei. Der Ausschuss habe sich deshalb<br />

– wie in der ersten Legislaturperiode – mit einer Umschreibung des Handwerksbegriffs<br />

im § 1 begnügt. Er habe somit bewusst darauf verzichtet, besondere Merkmale, beispielsweise<br />

die Zahl, Art oder Vorbildung der Beschäftigten, den Umsatz oder die Bilanzsumme,<br />

als charakteristisch <strong>für</strong> einen Handwerksbetrieb festzulegen. Und dann<br />

wörtlich: „Alle denkbaren Merkmale, die <strong>für</strong> die Handwerksbetriebe in Frage kommen<br />

könnten, gelten ebenso <strong>für</strong> kleine und mittlere Gewerbe- oder Industriebetriebe.“ (Deutscher<br />

Bundestag 1965: 5). Diese Feststellung trifft auch heute noch uneingeschränkt zu.

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