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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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440 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

hend missachtet. Die Vorteile einer Bestätigung der Handwerksordnung schienen den<br />

politischen Akteuren auf der Hand zu liegen und mögliche (Netto-) Kosten des Meisterzwangs<br />

keine nennenswerte Rolle zu spielen. Wie bei der Wiedereinführung des großen<br />

Befähigungsnachweises im Jahre 1953 stand hinter den Novellen jeweils primär ein klar<br />

erkennbarer politischer Gestaltungswille zugunsten einer Aufrechterhaltung der Handwerksordnung.<br />

Eine fundierte, empirisch orientierte ökonomische Analyse der Vor- und<br />

Nachteile hat weder im Vorfeld der (Wieder-) Einführung des großen Befähigungsnachweises<br />

1953 (bzw. 1935) stattgefunden noch im Vorfeld der früheren Novellen. 145<br />

Heute freilich hat sich das soziale und wirtschaftliche Umfeld im Zuge eines rasch anwachsenden<br />

generellen Reformdrucks stark verändert. Die Frage nach einer sinnvollen<br />

Ausgestaltung des Handwerksrechts bzw. auch überhaupt nach der Existenzberechtigung<br />

eines speziellen Handwerksrechts wird vor diesem Hintergrund durch die Gesetzesinitiative<br />

der Bundsregierung im politischen Raum erstmals laut und offen – d.h.<br />

auch mit der Möglichkeit einer negativen Antwort – gestellt. Dies sollte <strong>für</strong> die Forschung<br />

Anlass sein, sine ira et studio nach der ordnungspolitischen Berechtigung der<br />

Handwerksregulierung und – gegebenenfalls – nach einer vernünftigen, von ökonomischem<br />

Denken inspirierten Modernisierung des Handwerksrechts zu fragen.<br />

2. Reformbedarf<br />

2.1. Entstehungskontext – eine andere Zeit, ein anderer Zeitgeist!<br />

Wirtschaftliche <strong>Institut</strong>ionen sind zeitgebundene, wandelbare Phänomene. Grundlegende<br />

Veränderungen der institutionellen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens vollziehen<br />

sich zumeist in größeren Zeitspannen, weshalb der Einzelne dazu neigt, staatliche<br />

Regulierungen, Systeme der Unternehmensfinanzierung oder die Ausgestaltung der<br />

Wettbewerbspolitik als „quasi-naturgebene“ Einrichtungen zu betrachten. Faktisch waren<br />

diese Einrichtungen in allen entwickelten Industriestaaten in den zurückliegenden<br />

150 Jahren enormen Veränderungen unterworfen (z.B. <strong>für</strong> die Vereinigten Staaten Glaeser,<br />

Shleifer 2003). Die Handwerksordnung ist ein relativ neues Phänomen, denn sie<br />

wurde erst 1935 per Gesetz eingeführt (Reichsgesetzblatt 1935) und 1953 bestätigt, wohingegen<br />

bis zur Weimarer Republik im handwerklichen Bereich Gewerbefreiheit<br />

herrschte.<br />

Eine zuweilen stärker in der Öffentlichkeit ausgetragene, zuweilen auf Fachzirkel begrenzte<br />

Diskussion um Für und Wider der Handwerksordnung begleitet die Wirtschaftspolitik<br />

der Bundesrepublik seit den frühen fünfziger Jahren. Eingesetzt hatte diese<br />

Diskussion allerdings lange vorher, und zwar im frühen 19. Jahrhundert zur Zeit der<br />

Einführung der Gewerbefreiheit in Preußen. Die Untersuchungen und Verhandlungen<br />

des Vereins <strong>für</strong> Socialpolitik über die Handwerksfrage Ende des 19. Jahrhunderts stellen<br />

145 Den Novellierungen von 1994 und 1998 ist allerdings das sehr gründliche und fundierte Gu tachten<br />

der Deregulierungskommission voraus gegangen (Deregulierungskommission 1991), welches ausführlich<br />

zur Handwerksordnung Stellung genommen hat, ohne jedoch einen spürbaren Einfluss auf<br />

die Gestaltung der HwO des Gesetzgebers genommen zu haben.

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