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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel X: Modernisierung des Handwerksrechts 447<br />

Per saldo sind die theoretischen Argumente gegen den großen Befähigungsnachweis<br />

deutlich stärker als die zu seinen Gunsten vorgebrachten. Unter den ökonomischen<br />

Argumenten zugunsten der obligatorischen Meisterprüfung sind wohl vor allem das<br />

Vertrauensgüterargument und das Berufsbildungsargument ernst zu nehmen. Nur ein<br />

Bruchteil der derzeit in der Anlage A befindlichen Gewerke stellt indessen tatsächlich<br />

Vertrauensgüter her, alle anderen hingegen Suchgüter und Erfahrungsgüter (Bode 2003:<br />

6-9, zur Terminologie Tirole 1995: 232). Im Grunde können nur wenige komplexe Leistungen<br />

des Bauhaupt- und des Ausbaugewerbes (z.B. Häuser, Brücken, elektronisch<br />

gesteuerte Heizungsanlagen) als „Vertrauensgüter“ rubriziert werden. 154 Es ist äußerst<br />

fragwürdig, wenn das Vertrauensgüterargument auf eine Fülle von Gewerken ausgedehnt<br />

wird, auf die es, richtig verstanden, mit Sicherheit nicht zutrifft (z.B. Bäcker, Friseure,<br />

Textilreiniger).<br />

Dort, wo tatsächlich Vertrauensgüter hergestellt werden, ließe sich <strong>für</strong> die Nachfrager<br />

der betreffenden Produkte das Problem der Informationsasymmetrie auch mittels anderer,<br />

weniger kostspieliger Instrumente lösen als per Meisterzwang. Die Industrie demonstriert<br />

auf vielfältige Weise (z.B. per Normung, Standardisierung und Nutzung der<br />

Möglichkeiten des Werkvertragsrechts), dass es hier<strong>für</strong> keiner Berufsordnung bedarf.<br />

Die sich in jüngster Zeit verbreitenden Präqualifikationsverfahren, mittels derer sich<br />

öffentliche und private Nachfrager komplexer Produkte und Leistungen der Kompetenz<br />

der Anbieter versichern, sind ebenfalls ein Beispiel da<strong>für</strong>, wie solche Probleme ohne<br />

obligatorische Befähigungsnachweise gelöst werden können (Appel 1999). Präqualifikationssysteme<br />

verbreiten sich übrigens gerade in der Bauwirtschaft schnell, im Zweifelsfall<br />

zählt der deutsche Meistertitel hier überhaupt nicht. Im Gegensatz zu diesem<br />

handelt es sich bei den Präqualifikationsverfahren um europaweit akzeptierte Sicherungssysteme<br />

gegen inkompetente Anbieter und „schwarze Schafe“, die weitaus mehr<br />

leisten als der Nachweis einer vor Jahren abgelegten Meisterprüfung.<br />

Auch das Berufsausbildungsargument ist keineswegs zwingend – wie im Weiteren zu<br />

zeigen sein wird. Die Verfasser haben nicht den Auftrag und nicht die Absicht, die Argumente<br />

<strong>für</strong> und gegen den großen Befähigungsnachweis in der vorliegenden Arbeit ein<br />

weiteres Mal ausführlich zu erörtern. Dies wäre auch <strong>für</strong> die Klärung des in Frage stehenden<br />

Sachverhalts – bedarf es einer Modernisierung der Handwerksordnung und,<br />

wenn ja, welcher? – ein müßiges Unterfangen. Generell drängt sich der Eindruck auf,<br />

dass die Gegner des großen Befähigungsnachweises dazu neigen, dessen negative wirtschaftliche<br />

Folgen zu überzeichnen, und die Be<strong>für</strong>worter dazu, seine positiven Effekte<br />

zu übertreiben.<br />

Die im Streit der Ökonomen um den großen Befähigungsnachweis ausgetauschten Argumente<br />

waren stets in hohem Maße theoretisch inspirierter, d.h. im Wesentlichen abs-<br />

154 Die Gewerke, auf die sich das Ve rtrauensgüterargument anwenden lässt, befinden sich nach dem<br />

unten diskutierten Entwurf der Bundesregierung <strong>für</strong> eine Novelle der HwO noch sämtlich in der Anlage<br />

A. Orientierte man sich am Vertrauensgüterargument, müsste die Anlage A noch stärker ausgedünnt<br />

werden.

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