10.12.2012 Aufrufe

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kapitel X: Modernisierung des Handwerksrechts 451<br />

aber auch das durchschnittliche Qualifikationsniveau der im Handwerk Tätigen, die<br />

Leistungspreise, die Qualität der erstellten Güter und die Kundenfreundlichkeit eingeht,<br />

so ist das im deutschen Handwerk erzielte Niveau respektabel, aber, so unsere Darstellung<br />

in den vorausgehenden Kapiteln, in Europa keineswegs einzigartig. Andere europäische<br />

Länder – z.B. die Niederlande, Dänemark, die Schweiz – zeigen, dass sich<br />

Handwerk auch ohne Meisterzwang bzw. mit viel niedrigeren gesetzlichen Zugangsbarrieren<br />

dynamisch entwickeln kann. Das volkswirtschaftliche Gewicht eines gleich definierten<br />

Handwerks unterscheidet sich zwischen den entwickelten Volkswirtschaften<br />

nicht fundamental.<br />

Besonders interessant <strong>für</strong> Vergleichszwecke ist das Beispiel der Schweiz aufgrund der<br />

Nähe des dortigen Berufsbildungssystems und ähnlicher gewerbepolitischer Traditionen<br />

im 19. Jahrhundert. Das Votum der Wähler in der eidgenössischen Volksabstimmung<br />

von 1954 gegen die Einführung des großen Befähigungsnachweises in bestimmten<br />

Handwerksberufen 156 hat weder den betroffenen Handwerken noch dem Schweizer<br />

Handwerk insgesamt geschadet. Das vom Schweizer Handwerk – das sich im Gegensatz<br />

zu Deutschland nicht als separater Wirtschaftsbereich begreift – durchschnittlich erzielte<br />

Qualitätsniveau ist wohl sehr hoch und, die Vermutung sei gewagt, die Kundenfreundlichkeit<br />

wahrscheinlich im Ganzen wesentlich stärker entwickelt als in Deutschland.<br />

Der in der Mitte des 20. Jahrhunderts erreichte Leistungsstandard des deutschen Handwerks<br />

kann aus heutiger Sicht übrigens wohl kaum kausal auf den großen Befähigungsnachweis<br />

zurückgeführt werden. Der Einführung des Meisterzwangs im Jahre 1935 waren<br />

viele Jahrzehnte eines höchst dynamischen Modernisierungsprozesses im deutschen<br />

Handwerk vorausgegangen, in dem technische Neuerungen auf breiter Front in die<br />

Handwerksbetriebe Einzug hielten. In diesen Jahrzehnten stand der große Befähigungsnachweis<br />

allerdings nur auf der politischen Agenda der deutschen Handwerkerbewegung<br />

und war nicht gesetzlich verankert.<br />

Schließlich sollte man den Beitrag des Handwerks zur Entwicklung des deutschen Mittelstandes<br />

nicht überzeichnen. Die mittelständische Industrie, welche den internationalen<br />

Ruf des deutschen Mittelstandes vor allem begründet, hatte sich bereits am Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts weitgehend von ihren handwerklichen Ursprüngen emanzipiert.<br />

Industrielle Produktionssysteme basieren in Deutschland, wie überall in der entwickelten<br />

Welt, auf branchenspezifischen Synthesen groß-, mittel- und kleinbetrieblicher Produktion.<br />

Im Gegensatz zu einem landläufigen Vorurteil ist, wie strukturanalytische Arbeiten<br />

zeigen, das großbetriebliche Element in der deutschen Wirtschaft aufgrund deren<br />

großen Marktpotenzials wie in anderen großen Industriewirtschaften – USA, Großbritannien<br />

– deutlich stärker entwickelt als in den kleineren europäischen Volkswirtschaf-<br />

156 Hierbei handelte es sich um die Schuhmacher, Friseure, Sattler und Wagner (Küng 1954: 117).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!