10.12.2012 Aufrufe

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

122 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

nenden Stundensätze 58 nicht adäquat bedient werden. Die entstehende Lücke wird<br />

durch Schwarzarbeiter – Handwerker im „Nebenberuf“, Fachfremde mit handwerklichen<br />

Fähigkeiten – ausgefüllt. Die Handwerksordnung trägt dazu bei, die Entwicklung<br />

des hier angesprochenen Marktsegments zu behindern 59 – was sich mit der Novelle<br />

2003 teilweise ändern könnte. Viel wichtiger sind hier jedoch die durch die rechtlichen<br />

Vorschriften, das Tarifsystem, das Steuer- und Abgabesystem, Wertvorstellungen und<br />

Mentalität geschaffenen Anreizstrukturen. Aus strategischer Sicht stellt sich der große<br />

Bereich einfacher handwerksartiger Leistungen <strong>für</strong> das Handwerk als bedeutsam und<br />

entwicklungsfähig dar. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er allein mit einer Liberalisierung<br />

des Handwerksrechts erschlossen werden könnte.<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Chancen des Handwerks, über den bisherigen<br />

Rahmen hinausgehend von der Tertiarisierung zu profitieren, moderat-positiv zu<br />

beurteilen sind. Die zusätzliche Aufnahme berufsfeldtypischer, aber auch unkonventioneller<br />

branchenfremder Dienstleistungen in das eigene Leistungsangebot kann ebenso<br />

zum wirtschaftlichen Erfolg vieler Handwerksbetriebe beitragen wie das Angebot von<br />

Komplettlösungen (insbesondere im Bauhandwerk) und die Offenlegung und gezielte<br />

Vermarktung solcher Dienstleistungen, die ohnehin schon zum „normalen“ Leistungsprozess<br />

des produzierenden Handwerks zu rechnen sind. Bei nüchterner Abschätzung<br />

der hier insgesamt bestehenden Wachstumspotentiale scheint indessen eine „Dienstleistungseuphorie“<br />

verfehlt. Die Verfasser warnen mithin vor einer Überschätzung des<br />

Wachstumspotenzials bei Erbringung zusätzlicher Dienstleistungen. Ein „Königsweg“<br />

zur Sanierung schrumpfender Gewerke liegt hier nicht.<br />

Die Handwerkswirtschaft insgesamt wird auch in Zukunft stark im produzierenden<br />

Gewerbe verwurzelt bleiben und nur einen relativ kleinen Teil der durch intersektorale<br />

Strukturverschiebungen frei werdenden dienstleistungsbezogenen Wertschöpfungs- und<br />

Beschäftigungspotentiale an sich binden können – zumindest solange es bei der heutigen<br />

rechtlichen Abgrenzung des Handwerks bleibt. Die Erhöhung des Dienstleistungsgehalts<br />

handwerklicher Produkte ist wesentlich von der Qualifikation der an ihrer Erstellung<br />

Beteiligten abhängig. Damit stellt sich die im folgenden Abschnitt behandelte<br />

Frage nach der Zukunft des beruflichen Aus- und Weiterbildungssystems im Handwerk.<br />

2.4. Funktionswandel des Bildungssystems<br />

Das Bildungssystem als Ganzes und alle seine Bestandteile, darunter die berufliche Bildung,<br />

werden sich auf längere Sicht an die Gegebenheiten der Wissensgesellschaft an-<br />

58 Die vermeintlich hohen Stundensätze im Handwerk sind wohl nicht primär – wie in der öffentlichen<br />

Diskussion oft behauptet – auf Wettbewerbsbeschränkungen infolge des großen Befähigungsnachweises<br />

zurückzuführen, sondern auf das in Deutschland vorherrschende Lohn-, Tarif- und Abgabensystem.<br />

Wer anderes glaubt, möge sich die dürftigen Ertragsspannen vieler Handwerksunternehmen<br />

gemäß der Kostenstrukturstatistik ansehen bzw. die im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren<br />

kümmerlichen Eingangsgehälter <strong>für</strong> Gesellen auch von solchen Handwerksberufen, die sich eines relativ<br />

starken Lehrlingszulaufs erfreuen.<br />

59 Vgl. hierzu Kapitel X.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!