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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel X: Modernisierung des Handwerksrechts 459<br />

angemessener Weise zu würdigen bzw. eine juristische Stellungnahme zur Inländerdiskriminierung<br />

abzugeben. Fachjuristische Meinungsäußerungen zur rechtlichen Problematik<br />

der Inländerdiskriminierung fallen – wie oben bereits angedeutet – äußerst unterschiedlich<br />

aus. Zur Sache wird wohl im Übrigen das Bundesverfassungsgericht zu gegebener<br />

Zeit aufgrund anhängiger Verfassungsbeschwerden Stellung nehmen.<br />

Eine andere Frage ist es, inwieweit dem europäischen Integrationsprozess eine Tendenz<br />

zur Angleichung der nationalen Rechtssysteme inhärent ist, welche früher oder später<br />

zur Infragestellung besonderer nationaler Rechtsregelungen führen muss. Die europäische<br />

Integration führt zur Relativierung nationaler Staatlichkeit und zur Entstehung eines<br />

supranationalen Rechtsgebildes eigener Art, das sich kaum adäquat in die üblichen<br />

staatsrechtlichen Systematiken einordnen lässt, als historischer Vergleichsfall ließe sich<br />

allenfalls das von einer nationalistischen Geschichtsschreibung zu Unrecht geschmähte<br />

komplizierte staatsrechtliche Konstrukt des Heiligen Römischen Reiches bemühen (zu<br />

diesem Gotthard 2003: 1-9), das sich aus heutiger „postnationaler“ Sicht recht modern<br />

ausnimmt. Unumstritten dürfte sein, dass die Europäische Union als Hüterin eines flexiblen,<br />

anpassungsfähigen Privatrechts fungiert, welches den Erfordernissen der Märkte<br />

in hohem Maße entspricht und die wichtigste rechtliche Basis der Integration der Märkte<br />

in Europa bildet (Rittner 1998: 64-66). Daneben hat sich die EU allerdings auch in<br />

zunehmendem Maße in öffentlich-rechtlicher Gestaltung aus eigener Machtbefugnis<br />

versucht – wovon heute ein äußerst voluminöser acquis communautaire zeugt – und<br />

dabei auch immer wieder massiv in den Gestaltungsbereich der Nationalstaaten auf dem<br />

Feld des öffentlichen Rechts eingegriffen. Die Brüsseler Regelungswut in Detailfragen<br />

wurde bisweilen zu Recht, oft sicher auch zu unrecht moniert und hat zum Ruf der europäischen<br />

Konstruktion beigetragen, diese weise ein Demokratiedefizit auf. Wie berechtigt<br />

dieser Vorwurf auch immer sein mag, in der Koexistenz eines sich allmählich<br />

konstituierenden europäischen Gemeinschaftsrechts und der nationalen Rechtssysteme<br />

ist jedenfalls eine latente Spannung angelegt, die bei erstarkenden Gemeinschaftsinstitutionen<br />

auf längere Sicht häufiger zu Ungunsten der nationalen Rechtssysteme gelöst<br />

werden könnte.<br />

Das Europarecht stellt sich dabei neben dem nationalen Recht und Völkerrecht als eigenständige<br />

Rechtsquelle sui generis dar. Der EuGH hat aus der spezifischen Natur<br />

und der Eigenständigkeit des Europarechts abgeleitet, dass diesem keine – wie auch<br />

immer beschaffenen – nationalen Rechtsvorschriften vorgehen können. Es besteht mithin<br />

ein absoluter Vorrang des Europarechts vor den nationalen Normen (Arndt, Rudolf<br />

2003: 174). 162 Europäisches Recht sitzt, mit anderen Worten im Vergleich zu den<br />

nationalen Rechtssystemen langfristig am längeren Hebel und könnte im zusammenwachsenden<br />

Europa mehr und mehr prägende Kraft entfalten, auch wenn die Europäische<br />

Verfassung im Artikel 9 die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßig-<br />

162 Im Verfassungsentwurf <strong>für</strong> Europa des Europäischen Konvents heißt es hier im Art. 10, Abschn. 1:<br />

„Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der ihnen zugewiesenen Zuständigkeiten<br />

gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“ Europäischer Konvent<br />

2003: 10.

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