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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel IX: Europäischer Vergleich 427<br />

Es bildet jedoch heute bekanntlich wie stets in den vergangenen Jahrzehnten in bedeutendem<br />

Maße über den eigenen Bedarf hinweg aus. Demographisch, in jüngster Zeit<br />

auch konjunkturell bedingte Rückgänge der Ausbildungszahlen ändern nichts an dieser<br />

Rolle des Handwerks in der beruflichen Erstausbildung.<br />

Eine wachsende Unverträglichkeit der hierbei vermittelten überwiegend traditionellen<br />

beruflichen Qualifikationen müsste sich auf längere Sicht in zunehmenden Problemen<br />

von Handwerksgesellen niederschlagen, in anderen Wirtschaftsbereichen beruflich Fuß<br />

zu fassen. Diese Frage wäre detailliert zu untersuchen. Verlässliche Indizien da<strong>für</strong>, dass<br />

das im 20. Jahrhundert praktizierte intersektorale Wanderungsmodell heute nicht mehr<br />

funktioniert, liegen den Verfassern nicht vor.<br />

Untersuchungen des BIBB und IAB deuten allerdings auf eine erstaunliche Stabilität<br />

der intersektoralen Wanderungsmuster der Facharbeiter im Zeitablauf hin (Henninges<br />

1994: 39-41). Im Jahre 1979 waren 57,3 % aller in einer repräsentativen Befragung erfassten<br />

(west-) deutschen Facharbeiter im Handwerk ausgebildet worden, 1985 hingegen<br />

53,5 % und 1992 wieder 57,8 %. Nur eine Minderheit der im Handwerk ausgebildeten<br />

Gesellen war zum Zeitpunkt der Befragungen noch im Handwerk tätig, nämlich<br />

44,8 % (1979), 45,7 % (1985) und 47,4 % (1992). Die im Handwerk ausgebildeten<br />

Facharbeiter waren in großem Maße in die Dienstleistungssektoren abgewandert<br />

(28,5 % in 1992), in schwächerem Maße in größere Industrieunternehmen mit 50 und<br />

mehr Beschäftigten (20,8 %) und in sehr geringem Maße in industrielle Kleinunternehmen<br />

mit weniger als 50 Beschäftigten (3,3 %).<br />

In allen Fällen war die Facharbeiterwanderungsbilanz des Handwerks negativ, d.h. die<br />

Zuwanderung von Facharbeitern aus der Industrie und den tertiären Sektoren in das<br />

Handwerk hielt sich in engen Grenzen. Hier zeigt sich ein historisches Wanderungsmuster,<br />

welches sich bereits in den Frühzeiten des Industrialisierungsprozesses etabliert und<br />

im gesamten 20. Jahrhundert angedauert hat. Die ökonomischen Ursachen dieses intersektoralen<br />

Wanderungsprozesses sind in den größeren Beschäftigungschancen der expandierenden<br />

nichthandwerklichen Wirtschaftsbereiche 136 , im ausgeprägten Lohngefälle<br />

zwischen Groß- und Kleinunternehmen zuungunsten der Beschäftigten der letzteren<br />

sowie sicher auch in den besseren Arbeitsbedingungen in den Großunternehmen zu suchen.<br />

Eine Kontinuität im beruflichen Tätigkeitsfeld war bei den aus dem Handwerk<br />

abgewanderten Gesellen wohl in der Mehrheit der Fälle nicht gegeben, selbst dann<br />

nicht, wenn die Wanderungsbewegung in die Industrie führten.<br />

Derartige Wanderungsbewegungen vom Kleingewerbe in die Großunternehmen und<br />

vom produzierenden Gewerbe in die Dienstleistungssektoren sind nun kein ausgesprochenes<br />

Spezifikum der deutschen Wirtschaft, sondern sie spielten und spielen zweifellos<br />

136 Im Zuge der Produktivitätsentwicklung in der Industrie ist die industrielle Beschäftigungsdynamik<br />

natürlich in den letzten Jahrzehnten merklich hinter der Gesamtwirtschaft zurückgefallen. Die Industrie<br />

kommt also immer weniger als „Abnehmer“ handwerklicher Facharbeiter in Betracht. Da<strong>für</strong><br />

finden Handwerksgesellen zunehmende Beschäftigungschancen in den tertiären Bereichen.

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