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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel V: Strukturwandel im Handwerk I: Branchenübergreifende Aspekte 177<br />

einer inoffiziellen Statistik des BMWA wurden im Jahre 2001 deutschlandweit 9.421<br />

Ausnahmebewilligungen erteilt. Dem standen 17.322 Anträge gegenüber. Die Bewilligungsquote<br />

lag mithin bei 54,4 %.<br />

Geht man von diesem Werten aus, so wäre etwa ein Viertel des jährlichen Bedarfs an<br />

Betriebsgründern (Neugründungen + Übernahmen) gedeckt. Es bliebe ein „Restbedarf“<br />

von 26.000 bis 29.000 gründungsbereiten Meistern. Derzeit legen etwa 30.000 Jungmeister<br />

pro Jahr ihre Meisterprüfung ab. Dies deckt auf den ersten Blick den langfristigen<br />

durchschnittlichen Existenzgründerbedarf, wenn es beim derzeitigen Unternehmensbestand<br />

bleibt und die Quote der Ausnahmebewilligungen auf dem heutigen Niveau<br />

verharrt.<br />

In der oben angestellten Überschlagsrechnung bleibt ein weiterer wichtiger Faktor ausgeklammert.<br />

Jahr <strong>für</strong> Jahr treten nicht nur knapp 30 000 neu gegründete Handwerksunternehmen<br />

in den Markt ein. Mindestens ebenso viele – derzeit deutlich mehr – scheiden<br />

zugleich aus dem Markt aus. Dabei handelt es sich durchaus nicht nur um altersbedingte<br />

Betriebsaufgaben, sondern in den meisten Fällen – schätzungsweise zwei Drittel – um<br />

unfreiwillige oder aus persönlichen Kalkülen herbeigeführte Betriebsstilllegungen, bei<br />

denen es sich wiederum in den meisten Fällen um stille, d.h. nicht durch Konkursverfahren<br />

erzwungene Betriebsstilllegungen handelt. Die scheiternden Handwerksunternehmer<br />

können selbstverständlich weitere Gründungsversuche unternehmen. Sie sind<br />

daher ebenso als potenzielle Gründungskandidaten in Rechnung zu stellen wie die<br />

Jungmeister.<br />

Die Meisterprüfung führt zudem keineswegs zwangsläufig in die wirtschaftliche Selbständigkeit.<br />

Ein erheblicher Teil – ein knappes Drittel – der Prüfungsteilnehmer betrachtet<br />

sie als Erwerb einer Zusatzqualifikation, welche in erster Linie dem beruflichen<br />

Avancement im Rahmen einer unselbständigen Tätigkeit dienen soll und als solche<br />

auch in den Unternehmen geschätzt wird (Schmidt, Kraus 2001: 180f.). Andere, ein<br />

weiteres Drittel, fassen zwar <strong>für</strong> sich eine spätere berufliche Selbstständigkeit ins Auge,<br />

verfolgen hierbei aber keine konkreten Projekte. Wiederum andere, das letzte Drittel,<br />

bilden den harten Kern gründungsbereiter zukünftiger Jungmeister.<br />

Eine erhebliche Zahl von Jungmeistern entschließt sich faktisch erst lange nach der<br />

Meisterprüfung zur Gründung eines eigenen Unternehmen, mit anderen Worten, es gab<br />

seit Einführung des obligatorischen großen Befähigungsnachweises stets eine ansehnliche<br />

Menge von Handwerksgründern im Wartestand. Dieser Sachverhalt wurde in der<br />

Literatur ausgiebig behandelt (Müller 1996, 1997, 2003b; Schmidt, Kraus 2001) und<br />

dort unter dem Stichwort „Meisterreserve“ thematisiert.<br />

Müller (2003b: 26-27) hat eine Meisterreserve im weiteren Sinn <strong>für</strong> den Zeitraum<br />

1983-2002 von 235.643 berechnet, die alle in abhängiger Erwerbsposition verharrenden<br />

Jungmeister dieses Zeitraums erfasst, welche eine berufliche Selbständigkeit nicht von<br />

vornherein <strong>für</strong> sich ausgeschlossen haben. Unter Berücksichtigung der mit zunehmen-

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