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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel IV: Determinanten des Strukturwandels im Handwerk in der wissensbasierten Ökonomie 123<br />

passen müssen. Vermittlung von informationstechnischen Schlüsselqualifikationen,<br />

Lebenslanges Lernen, adäquate Weiterbildungsangebote auch <strong>für</strong> ältere Menschen sind<br />

Stichworte, welche die zu lösenden Aufgaben umschreiben. Im Zusammenhang mit den<br />

anstehenden Reformen ist auch der Beitrag des Handwerks zur beruflichen Erstausbildung<br />

und Weiterbildung einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Umgekehrt ist natürlich<br />

auch zu fragen, wie gut die allgemeine Schulbildung die ins Handwerk eintretenden<br />

Ausbildenden auf deren berufliche Ausbildung vorbereitet.<br />

Das in der Ära Bismarck geschlossene Bildungsarrangement, wonach das Handwerk<br />

den eigenen Lehrlingen unter relativ engmaschiger staatlicher Kontrolle eine solide gewerbliche<br />

berufliche Erstausbildung zu vermitteln habe und es im Gegenzug eine teilweise<br />

Anerkennung alter Forderungen der Handwerkerbewegung (eigene Kammern,<br />

kleiner Befähigungsnachweis) erhalten solle, hat weit über 100 Jahre gehalten und gehört<br />

zu den Erfolgsstorys deutscher Wirtschafts- und Bildungspolitik im Industriezeitalter.<br />

Die sog. „Lehrlingszüchterei“, d.h. die Ausbeutung Heranwachsender als billige<br />

Arbeitskräfte, der keine seriöse Ausbildungsleistung gegenüberstand, 60 fand bei Einführung<br />

der neuen Regelungen sicher nicht auf einen Schlag, aber im Ergebnis eines harten<br />

Ringens um die Durchsetzung von akzeptablen Ausbildungsstandards im Handwerk<br />

doch allmählich ein Ende. Das Handwerk hat im Rahmen des reformierten Berufsbildungswesens<br />

über viele Jahrzehnte hinweg massiv Lehrlinge über den eigenen Bedarf<br />

hinaus ausgebildet – sicher nicht aus purem Altruismus, sondern weil sich Ausbildung<br />

<strong>für</strong> die Unternehmen per Saldo rentiert –, die auf Grundlage dieser Ausbildung in anderen<br />

Wirtschaftsbereichen sinnvolle Beschäftigung fanden. Lange Zeit hat gerade die<br />

Industrie von den hier vorgezeichneten intersektoralen Arbeitskräftewanderungen profitiert.<br />

Heute scheint dies alles in Frage gestellt, nicht etwa durch die partielle Liberalisierung<br />

der Handwerksordnung, sondern durch einen grundlegenden Wandel der Strukturen<br />

industriewirtschaftlicher Produktion. Die Industrie benötigt angesichts des ungebrochenen<br />

Schrumpfungsprozesses der industriellen Beschäftigung immer weniger, gleichzeitig<br />

immer stärker spezialisierte, hoch qualifizierte Fachkräfte. Bei vielen handwerklichen<br />

Berufen erscheint fraglich, ob diese – soweit es um eine Ausbildung über den Bedarf<br />

des eigenen Gewerks hinaus geht – tatsächlich noch Qualifikationen anzubieten<br />

haben, die jenseits der Grenzen der Handwerkswirtschaft gefragt sind. Bildet das<br />

Handwerk also im eigenen Bereich nicht einsetzbare Jugendliche <strong>für</strong> eine Dauerarbeitslosigkeit<br />

aus? Um es vorwegzunehmen, wir haben in den Zahlen keine Evidenz da<strong>für</strong><br />

gefunden, dass Jung-Gesellen im Vergleich zu den Facharbeitern anderer Wirtschaftsbereiche<br />

überdurchschnittlich oft arbeitslos werden bzw., wenn sie dies werden, besonders<br />

lange arbeitslos sind. Die im ganzen 20. Jahrhundert feststellbaren intersektoralen Wan-<br />

60 Die „Lehrlingszüchterei“ war tatsächlich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein substanzielles Problem,<br />

das man nicht aus Sicht der heutigen notorischen „Lehrstellenknappheit“ klein reden sollte.<br />

Ähnliche Phänomene gab es in der kleingewerblichen Wirtschaft aller entwickelten Industrieländer<br />

und gibt es heute zumindest in allen Schwellen- und Entwicklungsländern.

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