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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel IV: Determinanten des Strukturwandels im Handwerk in der wissensbasierten Ökonomie 109<br />

zu kommen, haben an eben diesen Qualitäten angesetzt – mit überaus bescheidenem<br />

Erfolg, wie im Kapitel II festgestellt wurde. Ein primär auf Gestriges bezogenes Bild<br />

handwerklicher Technologien und Faktorenkombinationen ist denn auch, wie gezeigt,<br />

sehr weit von der wirtschaftlichen Realität des deutschen Handwerks im Sinne des<br />

Handwerksrechts entfernt.<br />

Diese wird nicht durch Weinküfer, Glockenbauer und ähnliche traditionelle Handwerke<br />

bestimmt, sondern durch die Massengewerke des Industriezeitalters, wobei die Grenzen<br />

zwischen „Handwerk“ und „Industrie“ in vielen Bereichen fließend sind. Handwerk hat<br />

also den technischen Fortschritt anderer Wirtschaftsbereiche im 20. Jahrhundert in erheblichem<br />

Maße nachvollzogen. Trotzdem drängt sich der Eindruck einer erheblichen<br />

Diskrepanz zwischen dem, was Handwerk überwiegend tut, und dem in Darstellungen<br />

der „wissensbasierten Ökonomie“ gepflegten Bild des Wirtschaftens im 21. Jahrhundert.<br />

Handwerkliche Leistungserstellung, insbesondere der breite Bereich von Bau- und Reparatur-<br />

und konventionellen personenbezogenen Dienstleistungen (Reinigung, Körperpflege,<br />

Gesundheitsleistungen) ist auch in der wissensbasierte Ökonomie unentbehrlich<br />

und wird aus verschiedenen unten diskutierten Gründen noch eher an Bedeutung zunehmen<br />

als abnehmen. Davon, dass das Handwerk überflüssig würde, kann also keine<br />

Rede sein. Handwerk wird auch in Zukunft eine breite Palette unterschiedlichster Tätigkeiten<br />

umfassen, unter denen sich sowohl humankapitalintensive als auch – in durchaus<br />

bedeutendem Maße – wenig humankapitalintensive Aktivitäten finden. Wachsendes<br />

Augenmerk wird in der Wirtschaftspolitik – wohl auch der breite Bereich kleiner, nur<br />

bescheidene Qualifikationen voraussetzender Dienstleistungen gewinnen, der heute in<br />

Deutschland noch weitgehend eine Domäne der informellen Wirtschaft ist und von der<br />

etablierten Handwerkswirtschaft – soweit es um „handwerksartige“ Tätigkeiten geht –<br />

vernachlässigt wird.<br />

Für die Handwerksorganisationen – also das rechtlich verfasste Handwerk – wird es<br />

darauf ankommen, den Spagat zu schaffen zwischen der Integration relativ einfacher,<br />

kaum wissensintensiver Tätigkeiten, die in der Wirtschaft von morgen ebenso benötigt<br />

werden wie in der des 20. Jahrhunderts, und der Teilnahme an der technologischen Entwicklung<br />

der Wissensgesellschaft.<br />

Im Prinzip sind hier zwei stark voneinander abweichende Szenarien denkbar: Einerseits<br />

scheint ein Rückzug auf die Interessenvertretung handwerklich-berufsständischer Positionen<br />

im Geiste des 19. Jahrhunderts denkbar, ein Weg, der auf die Dauer in eine gesellschaftliche<br />

Randposition führen muss. Andererseits ist eine Öffnung hin zur breiteren<br />

Vertretung der kleingewerblichen Wirtschaft denkbar, die ebenso technisch modernste<br />

Aktivitäten wie die unentbehrlichen einfachen Dienste in sich einschließt. Diese<br />

könnte sich dann freilich nicht hinter dem Schutzwall des großen Befähigungsnachweises<br />

verbarrikadieren. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass die jüngste Novelle<br />

der HwO ein Ende des deutschen Sonderwegs in der Handwerkspolitik wenn nicht<br />

schon einleitet, so doch zumindest ankündigt. Welcher Weg auch immer eingeschlagen

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