10.12.2012 Aufrufe

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

490 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

historisch gewachsenen Berufsbildungssystems <strong>für</strong> eine allerdings stark gruppenspezifisch<br />

geprägte „Kultur der Selbständigkeit“ in Deutschland verwiesen. Es besteht kein<br />

Zweifel daran, dass das Handwerk seit dem Anbruch des Industrialisierungsprozesses in<br />

erheblichem Maße zur Entfaltung der unternehmerischen Initiative beigetragen hat. Ein<br />

großer Teil der heutigen großen Namen der deutschen Industrie hat handwerkliche Ursprünge.<br />

Eine ganze Reihe von größeren, aufstrebenden deutschen Unternehmen ist in<br />

den zurückliegenden Jahrzehnten aus dem Handwerk hervorgegangen, und die betreffenden<br />

Unternehmer legen – was in der statistischen Erfassung des Handwerks zu problematischen<br />

Zurechnungen führen kann – ausdrücklich Wert darauf, den handwerklichen<br />

Ausgangspunkt ihres Unternehmens in Gestalt einer weiteren Registrierung in der<br />

Handwerksrolle zu dokumentieren.<br />

Das Handwerk fungiert somit bis in die Gegenwart hinein in bedeutendem Maße als<br />

„Saatbeet“ <strong>für</strong> den gewerblichen Mittelstand. Wie in kaum einem anderen Bereich der<br />

gewerblichen Wirtschaft werden in Teilen des Handwerks familiäre Berufstraditionen<br />

gepflegt – was freilich nicht verhindert, dass die Eltern der Mehrheit der selbständigen<br />

Handwerksmeister in anderen Wirtschaftsbereichen tätig waren (Welter 1996, 2003).<br />

Von einer über viele Generationen hinweg reichenden sozialen Kontinuität der Handwerkerschaft<br />

in der Industriegesellschaft kann also kaum gesprochen werden. Die mit<br />

dem Handwerk verbundene soziale Schicht partizipiert vielmehr in hohem Maße an der<br />

vertikalen und horizontalen sozialen Mobilität im Schichtungssystem, die <strong>für</strong> die moderne<br />

Gesellschaft typisch ist.<br />

Auch ist die Selbständigenquote im deutschen Handwerk (Selbständige/Beschäftigte)<br />

im europäischen Vergleich keineswegs besonders hoch, sondern eher niedrig, da die<br />

Handwerksunternehmen – wahrscheinlich infolge der Marktzutrittsregelungen – etwas<br />

größer sind als in anderen europäischen Ländern. Vielfach finden sich freilich in Handwerkerfamilien<br />

Traditionen selbständigen Wirtschaftens, die über mehrere Generationen<br />

hinweg reichen. Der per Gesellen- und Meisterbrief in die Selbständigkeit führende berufliche<br />

Weg erweist sich auch – was seitens des Handwerks oft hervorgehoben wird –<br />

<strong>für</strong> viele Angehörige strukturell benachteiligter sozialer Schichten als Vehikel sozialen<br />

Aufstiegs. Allerdings ist mit Hoffmann-Riem (1980: 55-59) auch auf objektive Grenzen<br />

der Auftstiegsmobilität im Handwerk hinzuweisen. Angesichts der Relation von im<br />

Handwerk tätigen Gesellen und Handwerksbetrieben (rd. 4:1) sind die realen Chancen<br />

der Gesellen, nach bestandener Meisterprüfung einen Betrieb zu übernehmen, durchaus<br />

begrenzt. In besonderem Maße trifft dies auf die Mitbürger ausländischer Herkunft zu,<br />

<strong>für</strong> welche mangelnde sprachliche Kompetenz ein ernstes Hindernis <strong>für</strong> die Absolvierung<br />

der Meisterausbildung sein kann. Wie im vorausgehenden Abschnitt stellt sich die<br />

Frage nach möglichen kausalen Zusammenhängen zwischen dem großen Befähigungsnachweis<br />

und der im deutschen Handwerk vorhandenen Selbständigenkultur.<br />

Beim näheren Hinsehen erweist sich die Annahme eines engen Zusammenhangs zwischen<br />

der Handwerksordnung und der in Teilen des Handwerks vitalen Selbständigenkultur<br />

als fragwürdig. Aus den meisten westeuropäischen Ländern wird von ähnlichen<br />

generationsübergreifenden beruflichen Tradierungen im Mittelstand berichtet. Die ita-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!