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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel III: Determinanten des Strukturwandels im Handwerk - Ex-post-Analyse 69<br />

mer voll während der Ausbildungszeit realisiert werden – auch im Handwerk nicht, in<br />

dem sich die Ertrags-Kosten-Bilanz der Lehre deutlich günstiger darstellt als in anderen<br />

Wirtschaftsbereichen. Im Falle von Entlassungen ist natürlich an die Realisierung solcher<br />

unternehmensseitiger Ausbildungserträge nicht mehr zu denken. Zu berücksichtigen<br />

ist auch, dass das Ausscheiden von Arbeitnehmern stets auch zum Abfluss von betriebsspezifischem<br />

„tacit knowledge“ führt. Hierbei geht es um einschlägige Kenntnisse<br />

von Details der Produktionsprozesse, Arbeitspraktiken und Arbeitsabläufe, deren Transfer<br />

in andere Unternehmen beim Stellenwechsel von Beschäftigten zu einem unerwünschten<br />

Wissenstransfer führen kann.<br />

Es ist auch zu bedenken, dass die Entlassung eines Mitarbeiters in einem Fünf-<br />

Personen-Betrieb eine ungleich tiefere Lücke in die Personal- und Organisationsstruktur<br />

des Betriebs reißt als in einem Unternehmen mit 100 Beschäftigten. Neueinstellungen<br />

erweisen sich bei verbesserter wirtschaftlicher Situation zudem <strong>für</strong> Kleinunternehmen<br />

oftmals als weitaus schwieriger als <strong>für</strong> größere Unternehmen, sind sie es doch, welche<br />

faktisch – innerhalb des tariflichen Ermessensbereichs – die niedrigsten Löhne zahlen<br />

und zuweilen auch die unattraktivsten Arbeitsbedingungen bieten.<br />

Es spricht also eine ganze Reihe ökonomischer Gründe da<strong>für</strong>, dass sich Kleinbetriebe<br />

bei Entlassung von Beschäftigten in wirtschaftlich schwierigen Phasen schwerer tun als<br />

große Unternehmen. Zusätzlich zu diesen Gründen werden in der mittelstandspolitischen<br />

Literatur häufig soziologische Gründe <strong>für</strong> ein beharrendes Beschäftigungsverhalten<br />

der Handwerksunternehmen (bzw. KMU insgesamt) angeführt.<br />

Nach industriesoziologischen Befunden stellen sich die Arbeitsbeziehungen in kleinen<br />

und mittleren Unternehmen sehr unterschiedlich dar, so dass pauschale Aussagen<br />

hierzu problematisch sind. Brussig (2000: 134-141; 167ff.) unterscheidet idealtypisch<br />

drei Arbeitssysteme in KMU:<br />

– ein industrieähnlich-handwerkliches System, in dem eine produktivitäts- oder flexibilitätssteigernde<br />

betriebliche Organisation nur in Ansätzen existiert und die Produktion<br />

in Spitzennachfragezeiten vor allem über Überstunden angepasst wird;<br />

– ein tayloristisches Arbeitssystem z.B. in Zulieferbetrieben; hier agieren die KMU<br />

vor allem als „Mengenanpasser“ auf dem Markt, die Anpassung an den Personalbedarf<br />

erfolgt nicht nur über Überstunden, sondern auch stärker durch Einstellungen<br />

und Entlassungen und den Einsatz prekärer Beschäftigungsverhältnisse (geringfügige<br />

Beschäftigung, Zeitverträge, externe Leiharbeit);<br />

– ein modernes kleinbetriebliches Arbeitssystemsystem, das sich durch hohe Qualifikationsanforderungen<br />

an das Personal und flache Hierarchien auszeichne und <strong>für</strong><br />

das eine „vorausschauende Lösung von Personalproblemen“ typisch sei.<br />

Aus arbeitswirtschaftlicher Sicht überzeugt diese Typologie nicht ganz, insbesondere<br />

das an dritter Stelle genannte. Das <strong>für</strong> kleine Gründungen beispielsweise der Internetökonomie<br />

typische Arbeitssystem stellt sich in der betrieblichen Praxis entschieden rau-

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