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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel VIII: Die räumliche Dimension des handwerklichen Strukturwandels 365<br />

Eine andere Situation ergibt sich <strong>für</strong> die Lebensmittelhandwerke (Bäcker, Fleischer).<br />

Sie sind seit den sechziger Jahren einem intensiven Wettbewerb mit der Lebensmittelindustrie<br />

und dem großflächigen (Discount-) Einzelhandel ausgesetzt. Jedoch besitzt das<br />

Nahrungsmittelhandwerk aufgrund seiner dezentralen Struktur, d.h. der verbrauchernahen<br />

Standorte, auch einen gewichtigen Wettbewerbsvorteil. Durch den Aufbau von Filialsystemen<br />

in Groß- und Mittelstädten entstanden v.a. im Bäckerhandwerk konkurrenzfähige<br />

räumliche Kettenoligopole. Die rasanten Entwicklungen im Bereich der<br />

computergesteuerten Backofentechnik bilden die technologische Basis <strong>für</strong> den Betrieb<br />

regional ausgelegter Filialsysteme mit einem breiten und sehr variablen Angebot. Hierdurch<br />

lassen sich die Vorteile der economies of scale mit den denen der economies of<br />

scope erfolgreich verbinden. Die räumliche Organisation des Lebensmittelhandwerks<br />

veränderte sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten dahingehend, dass die Großstädte<br />

mittlerweile von relativ wenigen aber beschäftigungsstarken Betrieben mit mehreren<br />

Verkaufsstandorten versorgt werden. In den ländlich geprägten Kreisen liegt der Anteil<br />

von kleinen Unternehmen mit ein oder zwei Verkaufsstellen (noch) erheblich höher.<br />

Hier scheint sich der Trend durchzusetzen, die dünn besiedelte Räume in der Umgebung<br />

der Produktionsstätte mittels mobiler Verkaufsstellen zu bedienen. Die Verkaufswagen<br />

der Landfleischereien und -bäckereien haben aber inzwischen auch auf den temporären<br />

Märkten mittlerer und großer Städte eine feste Position bezogen.<br />

Die Filialisierung eröffnet dem Handwerk auch in den stark suburbanisierten Räumen<br />

der Agglomerationen neue Marktchancen. Alle großflächigen Einkaufszentren in den<br />

Randlagen der Kernstädte von Ballungsgebieten verfügen über Mall-Bereiche in denen<br />

regional ansässige Bäcker und Fleischer, Konditoren oder Optiker mit einer Verkaufsstelle<br />

präsent sind. Die aus den Innenstädten abgezogene Kaufkraft wird dadurch zumindest<br />

teilweise wieder aufgefangen. Die Frage nach den räumlichen Auswirkungen<br />

der jüngst etablierten Backdiscounter („Back Factory“, „Brotzeit“ u.a.) ist noch offen.<br />

Ihr massives Eindringen in die zentralen Standorte des innenstädtischen Einzelhandels<br />

könnte gravierende Änderungen der räumlichen Organisation im Bäckerhandwerk nach<br />

sich ziehen. Momentan scheinen nur die größten Agglomerationen Deutschlands vom<br />

Einzug der Backdiscounter betroffen zu sein.<br />

Im Zusammenhang mit dem Einzug der Computertechnik in Handwerksbetriebe und<br />

ihrem Anschluss an das Internet stellt sich auch die Frage nach einer Auflösung traditioneller<br />

Standortbindungen. Die IuK-Technik bietet <strong>für</strong> eine Reihe von Gewerken die<br />

Möglichkeit, sich neue Kundenkreise in großer Entfernung zu erschließen. Zu denken<br />

ist hierbei an die ersten virtuellen Verbünde im Tischlerhandwerk. Sie organisieren über<br />

das Internet den Entwurf und die Realisierung von Projekten zum Innenausbau und zur<br />

Möbelfertigung. Bei diesen Arbeiten können auch die Kunden aktiv mit einbezogen<br />

werden.<br />

Trotz der vielfältigen technischen Möglichkeiten, welche mittlerweile auch zu akzeptablen<br />

Preisen genutzt werden können, setzt sich eine auf die gemeinsame Produktion und<br />

den Vertrieb über große Entfernungen zielende Art der Computer- und Internetnutzung<br />

nur sehr langsam durch. Insofern kann in Bezug auf das Handwerk von einer Auflösung

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