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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel IX: Europäischer Vergleich 389<br />

es eine auf die vermeintliche Einzigartigkeit des deutschen Handwerksrechts fokussierte<br />

deutsche Diskussion vermuten lässt. Das Ausmaß der Eingriffe ins Marktgeschehen<br />

unterscheidet sich indessen gravierend. Deutschland weist auf den vom Handwerk bedienten<br />

Märkten gemeinsam mit Luxemburg und – nach der jüngsten Novellierung des<br />

Gewerberechts mit Einschränkungen – Österreich die mit Abstand höchste Regulierungsintensität<br />

auf. Hierbei geht es insbesondere um eine gesetzliche Regelung des<br />

Marktzutritts, der nach geltendem deutschem Handwerksrecht den Nachweis einer erfolgreich<br />

abgelegten Meisterprüfung vorsieht. Eine Reihe weiterer EU-Länder, z.B. die<br />

Niederlande, kennt dagegen in einigen Bereichen nur Eingangsprüfungen, die sich auf<br />

die Existenz technischer Fachkenntnisse und betriebswirtschaftlicher Elementarkenntnisse<br />

beziehen, in keinem Fall aber mit der Markteintrittshürde vergleichbar sind, welche<br />

in Deutschland in Gestalt der obligatorischen Meisterprüfung besteht.<br />

Die bestehenden Unterschiede erklären sich aus den im frühen 19. Jahrhundert verwurzelten<br />

unterschiedlichen gewerbepolitischen Traditionen der europäischen Länder. In<br />

den angelsächsischen Ländern hat sich früh das Prinzip der Gewerbefreiheit durchgesetzt.<br />

Die skandinavischen Länder sind diesem Beispiel gefolgt. In den mitteleuropäischen<br />

Ländern hat sich die anfängliche Begeisterung <strong>für</strong> die Gewerbefreiheit im frühen<br />

19. Jahrhundert bald verflüchtigt, und eine rasch erstarkende Handwerkerbewegung<br />

gegen Ende des Jahrhunderts hat zunehmenden Einfluss auf die Politik gewonnen, die<br />

in der Regelung der Kammer- und Innungsmitgliedschaften sowie des kleinen Befähigungsnachweises<br />

1898 gipfelte. Frankreich stand seit der französischen Revolution eher<br />

auf der Seite der Gewerbefreiheit mit Regulierungen in einzelnen Gewerben, welche der<br />

merkantilistischen Tradition des Landes entsprachen.<br />

Gewerbepolitische Regelungen sind, so lässt sich unschwer erkennen, stets Resultat<br />

eines ordnungspolitischen Gestaltens, welches praktisch niemals auf fundierte Kosten-<br />

Nutzen-Kalküle zu den Wirkungen der Regulierung zurückgegriffen hat, sondern Ausdruck<br />

des Wirkens von Interessenverbänden und von spezifischen politischen Konstellationen<br />

war. Die Verankerung gewerbepolitischer Regelwerke in sozialen, politischen<br />

und kulturellen Kontexten erschwert die nüchterne ökonomische Diskussion des Für<br />

und Wider solcher Eingriffe ins Wettbewerbsgeschehen ungemein. Dies kann aber natürlich<br />

kein Argument gegen eine vergleichende Analyse der Effekte unterschiedlicher<br />

Regulierungsmodelle sein.<br />

Staatliche Regulierung ist, wie bereits ausgeführt, nur dann zu rechtfertigen, wenn die<br />

hiermit <strong>für</strong> die Allgemeinheit bzw. die Konsumenten verbundenen Vorzüge eindeutig<br />

gegenüber den Nachteilen überwiegen. Es gilt das Prinzip des Nutzens-, nicht das des<br />

Schadensnachweises, d.h. eine Regulierung ist nur dann zu vertreten, wenn sie eindeutige<br />

Wohlfahrtsgewinne mit sich bringt bzw. ihre Abschaffung den Wohlstand der Bevölkerung<br />

eindeutig mindern würde. Das Europa der 15 böte sich hier eigentlich als<br />

ideales Laboratorium der empirischen Forschung da<strong>für</strong> an, die Auswirkungen der auf

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