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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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462 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

ernsthaft gestellt. Vor dem Hintergrund der anstehenden Modernisierung des Sozialstaats<br />

ist dieses Tabu der deutschen Wirtschaftspolitik nicht mehr zu rechtfertigen.<br />

Man könnte hier einwenden, der Handwerksordnung unterlägen fast ausschließlich solche<br />

Bereiche, die durch stagnierende Märkte gekennzeichnet sind und nicht zu den<br />

technologischen Spitzensektoren der deutschen Wirtschaft gehören. Auch seien die Effekte<br />

der geplanten Veränderungen wohl nicht allzu eindrucksvoll – eine Meinung, welche<br />

die Verfasser im Folgenden selbst vertreten. Dem ist entgegenzuhalten, dass die<br />

systemischen Effekte, die Regulierungen mit sich bringen und die weit über den eigenen<br />

Bereich hinaus reichen können, nicht unterschätzt werden sollten. Auch ist ein Widerspruch<br />

in der Politik in punkto Handwerksrecht nicht zu übersehen. Seit den frühen<br />

neunziger Jahren fördern alle Bundesregierungen und alle Landesregierungen Unternehmensgründungen<br />

auf jede erdenkliche Art. Es wird nach einer „Kultur der Selbständigkeit“<br />

gerufen, neuerdings auch verstärkt nach der unternehmerischen Initiative gründungsbereiter<br />

Arbeitsloser. Zugleich werden indes in Gestalt des Handwerksrechts<br />

gründungsbereite Personen, die einfache Fliesenleger- oder Malerarbeiten auf selbständiger<br />

Basis ausführen wollen, an einer selbständigen Berufsausübung gehindert. Dabei<br />

sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass sich in den gleichen Bereichen seit vielen<br />

Jahren ein Heer von fachlich gut ausgebildeten Schwarzarbeitern und Hobby-<br />

Handwerkern betätigt. Derartige Widersprüche stehen einer Reformpolitik nicht gut an.<br />

Einzuräumen ist allerdings, dass die Symbolkraft einer substanziellen Modernisierung<br />

des Handwerksrechts deutlich größer ist als ihre tatsächliche volkswirtschaftliche<br />

Bedeutung. 165 In den anstehenden Reformen – Arbeitsmarktreform, Reform der sozialen<br />

Sicherungssysteme, Modernisierung der Regulierungen – müssen nämlich automatisch<br />

die Interessen von Verbänden, intermediären Organisationen, bestimmter Segmente<br />

der Unternehmenspopulation und auch bestimmter Wählergruppen in der einen oder<br />

anderen Form beschnitten werden. Letztlich gehört jeder Bürger einer betroffenen Interessengruppe<br />

an und muss mit Einschnitten in bestimmten Punkten rechnen mit der aus<br />

ökonomischer Sicht nicht unberechtigten Hoffnung auf Zugewinne an anderer Stelle.<br />

Der Reformimpuls kann nur dann Stoßkraft entfalten, wenn alle Interessentengruppen<br />

eigene Pfründe opfern bzw. bislang verteidigte Positionen in wichtigen Punkten revidieren.<br />

Insofern kommt der Modernisierung des Handwerksrechts eine beträchtliche Bedeutung<br />

zu, die deutlich über ihren eigentlichen Anlass – die Überprüfung ihrer Sinnhaftigkeit<br />

– hinausweist. Die Akzeptanz einer substanziellen Reform der Handwerksordnung<br />

scheint nach Befund des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Demoskopie Allensbach größer zu sein<br />

als <strong>für</strong> manche andere Reform (Köcher 2003: 9). Allerdings sollte dies in Reformzeiten<br />

<strong>für</strong> die Politik nicht das entscheidende Kriterium sein.<br />

165 Im Ausland wird die Liberalisierung des Handwerksrechts bisweilen durchaus als Indiz <strong>für</strong> deutsche<br />

Reformfähigkeit gewertet, so z.B. in NZZ (2003).

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