RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

Kapitel IX: Europäischer Vergleich 385
Tabelle IX-1
Institutionelle Handwerksdefinitionen in Europa
Land
Formelle oder informelle institutionelle Definition des Handwerks Gesetzliche Grundlage
der Definition
Belgien Kraft Gesetz ist ein Handwerker eine Person, die haupt- oder
nebenberuflich Facharbeit verrichtet
Gesetz von 1995
Dänemark Informeller Handwerksbegriff, der sich an traditionellen Mustern
orientiert; das Ausbildungssystem orientiert sich am traditionellen
Handwerk.
Keine
Deutschland Berufsbezogener juristischer Handwerksbegriff; Auflistung von Handwerksordnung von 1953 (1935),
94 Berufen in Anlage A zur Handwerksordnung, die selbständig zuletzt novelliert 1998; starke Affin i-
nur nach Meisterprüfung ausgeübt werden dürfen; in Anlage B tät zum österreichischen und luxem-
Auflistung von 42 Berufen, die keine Meisterprüfung verlangen. burgischen Handwerks- (Gewerbe-)
Recht
Finnland Informeller Handwerksbegriff, der sich stark an Kunstgewerbe
und Handarbeit orientiert
Keine
Frankreich Juristischer Handwerksbegriff: Unternehmen mit bis zu 10 Lohn- Gesetz zum „artisanat“ von 1962 und
beschäftigten (ohne Auszubildende), die handwerkliche Produkte
erst ellen und Dienstleistungen erbringen, gravierende Abweichungen
der erfassten Berufe zu Deutschland (z.B. Taxifahrer,
Umzugsunternehmen)
1983
Griechenland Breiter Konsensus über eine informelle Handwerksdefin ition in
der griechischen Gesellschaft
Keine
Großbritannien Informeller Handwerksbegriff, der sich stark an kunstgewerblichen
vorindustriellen „handicrafts“ orientiert und nur sehr kleine
Unternehmen einbezieht
Keine
Irland Informeller Handwerksbegriff („handicrafts“): Unternehmen und
Selbständige, die überwiegend Handarbeit verrichten; „handicrafts“
sind im Handwerksarbeiterregister aufgelistet
Arbeitsdefinition der „handi-crafts“
Italien Juristischer Handwerksbegriff: Zurechnung zum Handwerk nach
(Höchst-) Anzahl der Beschäftigten, die sektorspezifisch festgelegt
ist und Gesellschaftsform (nur Einzelunternehmen, unbeschränkte
haftende und Familiengesellschaften)
Lego Quadro von 1985, Nr. 443
Luxemburg Berufsbezogener juristischer Handwerksbegriff; für 91 Berufe Handwerksgesetz von 1995; starke
Meisterpflicht, weitere 31 sog. Sekundäre Handwerksberufe Affinität zum deutschen und österrei-
erfordern zweijährige Ausbildung für Erteilung einer Geschäftslichischen Handwerks- (Gewerbe-)
zenz
Recht
Niederlande Keine offizielle Definition, aber weitgehender Konsens über
informellen Handwerksbegriff, der sich auf qualitat ive Kriterien
wie Selbständigkeit, geringe Betriebsgröße (bis zu 10 Beschäftigte)
geringe Arbeitsteilung, erforderliche Fachkenntnisse und
kleine Produktionspalette in kleinen Losgrößen stützt
Keine
Österreich Berufsbezogener juristischer Handwerksbegriff; Auflistung von Gewerbeordnung von 1994 (1998,
42 Berufen in der Gewerbeordnung, für deren selbständige Aus- 2002); starke Affinität zum deutschen
übung eine Meisterprüfung, eine gleichwertige österreichische und luxemburgischen Handwerks-
Prüfung, ein anerkannter EU-Abschluss gefordert wird, Auflistung
weiterer Gewerbe, die ohne Meisterprüfung ausgeübt werden
dürfen
(Gewerbe-) Recht
Portugal Informeller Handwerksbegriff, unter Handwerk werden vor allem
kleine Unternehmen verstanden, die überwiegend Handarbeit
verrichten und handgemachte Produkte herstellen bzw. Leistungen
anbieten
Keine
Schweden Keine offizielle Handwerksdefinition, informelle Definit ionen
kommen mitteleuropäischen Konzepten nahe
Keine
Spanien Es existiert keine offizielle Handwerksdefinition, aber eine Liste Königliche Dekrete von 1982, 1992
von Berufen, welche als Handwerk eingestuft werden. Orientierung
an einem engen traditionsverhafteten vorindustriellen
Handwerksbegriff
und Resolution v. 1993
Quelle: ENSR 1994: 268-270; ENSR 1996: 108-110; ENSR 1995: 345-347, 357-358.