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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel X: Modernisierung des Handwerksrechts 457<br />

lems verständlich und leicht nachzuvollziehen. Zugleich liegt hierin aber auch eine gewisse<br />

moralische Abwertung des Meistertitels. Ein Prüfungssystem, das vor allem die<br />

Erfolgsquote unter den Prüflingen emportreibt, läuft Gefahr, von kritischen Beobachtern<br />

nicht mehr recht ernst genommen zu werden.<br />

Abschließend sei die Frage gestellt, inwieweit sich der hier konstatierte Modernisierungsrückstand<br />

des Handwerks in der Handwerksstatistik widerspiegelt. Der Abwärtstrend<br />

der vergangenen Jahre erklärt sich, wie im dritten Kapitel dargestellt, aus einem<br />

Bündel konjunktureller und struktureller Faktoren, insbesondere aus der anhaltenden<br />

schweren Baukrise, die selbst zugleich eine strukturelle und eine konjunkturelle Komponente<br />

beinhaltet. Auf bestimmten Märkten – den Märkten <strong>für</strong> Fleisch und Wurstwaren<br />

sowie <strong>für</strong> Frischbackwaren – haben wir erhebliche Marktanteilsverluste des Handwerks<br />

festgestellt. Diese können durchaus als Indiz <strong>für</strong> eine Verschlechterung der Wettbewerbsposition<br />

des Handwerks im Konsumgüterbereich gegenüber den nichthandwerklichen<br />

Konkurrenten gewertet werden. Restrukturierungsprozesse in der Industrie<br />

und in der Dienstleistungswirtschaft befähigen großbetriebliche Anbieter, in zunehmendem<br />

Maße auch auf lokalen Märkten aktiv zu werden. Vor diesem Hintergrund besteht<br />

in der Tat ein beträchtlicher Modernisierungsbedarf im deutschen Handwerk.<br />

2.5. Europatauglichkeit des Handwerksrechts<br />

Bürger anderer EU-Staaten dürfen nach europäischem Recht in Deutschland eigene<br />

Handwerksunternehmen betreiben, ohne die deutschen Meistertitel erworben zu haben,<br />

sofern sie eine ununterbrochene sechsjährige Tätigkeit als Selbständiger oder als Betriebsleiter<br />

in dem betreffenden Handwerksberuf in einem anderen Mitgliedsstaat nachweisen<br />

können (Richtlinie 1999/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates,<br />

Titel III, Art. 4, Nr. 1a). 159 Längerfristig auf den deutschen Märkten tätige ausländische<br />

Handwerksbetriebe sind verpflichtet, sich in der Handwerksrolle registrieren zu lassen,<br />

<strong>für</strong> nur kurzfristig in Deutschland tätige Unternehmen entfällt nach einem EuGH-Urteil<br />

diese Registrierungspflicht. Da in allen EU-Ländern mit Ausnahme Luxemburgs 160 und<br />

Österreichs die Qualifikationsanforderungen <strong>für</strong> die Gründung eines Unternehmens in<br />

den durch die Anlage A HwO bezeichneten Handwerksberufen deutlich niedriger sind<br />

als in Deutschland, müssen Inländer bei Gründung eines selbständigen Handwerksunternehmens<br />

im eigenen Land faktisch eine höhere Qualifikationshürde nehmen, als ihre<br />

159 Die Zulassungsvoraussetzungen <strong>für</strong> EU-Ausländer werden hier vereinfacht mit Konzentration auf<br />

den erstgenannten, praktisch bedeutsamsten Punkt der Kriterienliste dargestellt. Für Details vgl. den<br />

Text der EU-Richtlinie in Aberle 1967ff.: 235a, S. 4-7.<br />

160 Es überrascht sehr, dass die Anerkennung luxemburgischer Meisterprüfungen in Deutschland offenbar<br />

nicht selbstverständlich ist, sondern mit bürokratischen Hürden verbunden ist. Ein Informationsblatt<br />

der Handwerkskammer Trier warnt deutsche Gesellen nachdrücklich davor, die Meisterprüfung<br />

in Luxemburg abzulegen (HWK Trier o.J.). Eine Zulassung sei nur per Ausnahmebewilligung mö glich.<br />

Eine Gleichwertigkeit sei im Hinblick auf den rechtskundlichen Teil der luxemburgischen<br />

Meisterprüfung nicht gegeben. Mit der Erteilung der Ausnahmebewilligung sei keine Ausbildungsbefugnis<br />

verbunden. Im Übrigen dürften die Luxemburger Meister im Rechtsverkehr innerhalb des<br />

Bundesgebiets den Titel „Handwerksmeister“ nicht (!) tragen.

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