RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

Kapitel VI: Strukturwandel im Handwerk II: Zur Entwicklung ausgewählter Gewerke 261
reinigerhandwerks tätig. Diese hohen Zahlen kommen vor allem durch einen beachtlichen
Anteil an Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten zustande.
Das Gebäudereinigerhandwerk entwickelt sich immer stärker zu einem „Allround“ –
Dienstleistungshandwerk mit einem diversifizierten Leistungsangebot. Diese Ausweitung
des Tätigkeitsspektrums entspricht dem Wunsch der Nachfrage nach Komplettlösungen
aus einer Hand. In diesem Sinne kam die 1994 und 1998 novellierte Handwerksordnung
den Handwerksunternehmen entgegen, weil sie auch Leistungen aus benachbarten
Handwerkszweigen ermöglicht. Während die Gebäudereiniger in den fünfziger
Jahren noch vorwiegend mit der Glas- und Fassadenreinigung befasst waren, bildete
in den siebziger Jahren die Innenreinigung von Gebäuden den Schwerpunkt (SI-
NUS 1996). Heute wird von vielen Betrieben ein umfassender Gebäude-Service angeboten,
der neben der Reinigung und Wartung von Industrieanlagen auch Ver- und Entsorgungsdienste
umfasst oder die Krankenhausreinigung bis hin zur Asbestsanierung.
Einige Unternehmen haben auch die Verkehrsmittelreinigung, Catering, Sicherheitsdienste
und andere Aufgaben in ihr Angebot aufgenommen. Viele Handwerksbetriebe
verstehen sich inzwischen als Gebäudemanager, die infrastrukturelles, kaufmännisches
und technisches Management anbieten („facility management“). Hinzu treten Bereiche,
die im Zusammenhang mit der Verwaltung, dem Erhalt und der Betreuung von Immobilien
stehen wie Hausmeisterdienste, Hol- und Bringdienste, Sonderdienste als Vertretung
bei Urlaub oder Krankheit, Pflege von Gärten und Grünanlagen. Das Gebäudereinigerhandwerk
versucht mit diesen umfassenden Angeboten in einem erweiterten Markt
Fuß zu fassen, steht dabei natürlich mit anderen Handwerken und dem gesamten Bereich
des Facility-Management in Konkurrenz (vgl. Kapitel VI-5).
Diese Entwicklung wird vor allem von einigen großen Betrieben vorangetrieben, die
teilweise im Gebäudereinigerhandwerk ihren Ursprung hatten und inzwischen einen
beachtlichen Marktanteil auf sich ziehen können (z.B. Piepenbrock, Dussmann, DIW-
Instandhaltung, Dorfner, ISS-Deutschland, Gegenbauer - Bosse, Vorwerk, WISAG,
Zehnacker und andere). Die Piepenbrock- Dienstleistungsgruppe (Bielefeld), die zu den
führenden Unternehmen auf diesem Gebiet gehört, beschäftigt in 200 Niederlassungen
über 30.000 Mitarbeiter. Auch die Dussmann-Gruppe (Berlin) bezeichnet sich mit 1,2
Mrd. € Umsatz und rund 51 000 Mitarbeitern im Jahr 2002 als größten Multidienstleister
(MSI – Marketingresearch 2003).
Die Entwicklung in Richtung qualitativ höherwertiger Dienstleistungen hat das Image
des Handwerks teilweise verbessert, es zugleich jedoch von dem handwerklichen Ausgangsverständnis
des Gebäudereinigens entfernt. Das Angebot beschränkt sich nicht
mehr nur auf die klassischen Reinigungsarbeiten im und am Haus, sondern es schließt
auch „artfremde“ Tätigkeiten ein. „Eine Beschränkung für das Angebot von Dienstleistungen
auf bestimmte Branchen im Handwerk gibt es nicht“ (Hantsch 2000: 109f.). Diese
Sichtweise wird auch vom Bundesinnungsverband bestätigt. Hier wird offen zugegeben,
dass mit der Bezeichnung Gebäudereinigerhandwerk des Verbandes nur noch ein
Teilsegment dessen abgebildet wird, was die Mitgliedsunternehmen tatsächlich an Leistungen
offerieren.