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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel III: Determinanten des Strukturwandels im Handwerk - Ex-post-Analyse 99<br />

„Okkupation handwerklichen Terrains“ durch nichthandwerkliche Unternehmen interpretiert<br />

werden kann.<br />

Hier ist allerdings auf ein Paradoxon hinzuweisen: Attraktive Marktchancen <strong>für</strong> die<br />

Handwerksunternehmen liegen – wie oben bereits betont – in vielen Gewerken außerhalb<br />

der durch den Vorbehaltsbereich der Handwerksordnung gezogenen beruflichen<br />

Grenzen. Überschreiten die Unternehmen diese Grenzen, sind sie im landläufigumgangssprachlichen<br />

Sinn eigentlich nicht mehr dem Handwerk zuzurechnen. Den<br />

Handwerkern vorzuwerfen, sie seien nicht innovativ, weil sie ihre Marktchancen in den<br />

expandierenden außerhandwerklichen Wirtschaftsbereichen nicht wahrnähmen, ist insofern<br />

fragwürdig, als die betreffenden Unternehmen dann eigentlich gar nicht mehr in der<br />

Handwerksstatistik auftauchen dürften, also durch ihre Expansion auch nicht zum<br />

Wachstum des Handwerks beitragen würden. Es ist eine Eigentümlichkeit des deutschen<br />

Handwerksrechts, dass manche in berufsfremde Bereiche abgewanderte selbständige<br />

Handwerker trotz ihres eigentlich nichthandwerklichen Betätigungsfelds an der<br />

Rolleneintragung festhalten (vgl. Kapitel II). Selbstverständlich ist dies allerdings keineswegs.<br />

Die mit der Beobachtung der Gewerkeabgrenzungen verbundenen Transaktionskosten<br />

werden in der handwerksordnungskritischen Literatur seit Jahrzehnten thematisiert.<br />

Hierbei geht es um Kosten, die den Nachfragern handwerklicher Leistungen entstehen,<br />

weil <strong>für</strong> artverwandte Leistungen unterschiedliche Handwerker bestellt werden müssen<br />

und deren Einsatz zu koordinieren ist. Zugleich geht es aber auch um die Opportunitätskosten<br />

einer gewerkebasierten Bauorganisation, sind doch zumindest im stärker industrialisierten<br />

Baugeschäft auch andere, Gewerkegrenzen ignorierende bauorganisatorische<br />

Lösungen möglich und rechtlich legal. Schließlich geht es um die Kosten staatlichen<br />

Handelns der Exekutive und der Judikative, das durch die HwO und deren Gewerkeabgrenzungen<br />

erst notwendig wird. Nämlich um Aktivitäten der Ordnungsämter, um<br />

die Kosten von Rechtstreitigkeiten und der Exekution von Rechtsakten, um indirekte<br />

Effekte auf die Markteure, um atmosphärische Wirkungen auf die von der Politik beschworene<br />

„Kultur der Selbständigkeit“ in Deutschland.<br />

Versuche einer empirischen Erfassung der angesprochenen Kosten sind indessen rar<br />

geblieben, so dass auch derartige Effekte nur auf der Basis von Mutmaßungen erörtert<br />

werden können. Das Problem ist auch durch die Handwerksvertretungen prinzipiell seit<br />

langem als solches anerkannt worden. Anders wäre der Anlauf zur flexibleren Handhabung<br />

der Gewerkegrenzen in den HwO-Novellen von 1994 und 1998 kaum vorstellbar<br />

gewesen. Besagte Novellen haben zweifellos Fortschritte bei der Behebung grober<br />

Missstände gebracht, das Problem gänzlich beheben konnte sie aufgrund des eingeschlagenen<br />

Weges aber nicht.<br />

Da<strong>für</strong>, dass die aus den Gewerkegrenzen erwachsenden Transaktionskosten in der wissensbasierten<br />

Ökonomie eher zunehmen, spricht Einiges. Innovative Unternehmen<br />

neigen in wachsendem Maße dazu, bestehende Branchengrenzen, natürlich auch herkömmliche<br />

Berufsgrenzen, in ihrem wirtschaftlichen Handeln zu ignorieren. Die techni-

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