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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel IX: Europäischer Vergleich 387<br />

Tabelle IX-2 zeigt, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Begriffsdefinitionen<br />

auf die Handwerksstatistik haben. Unterstellt man – was plausibel ist –, dass alle westeuropäischen<br />

Wirtschaften über ein stark lokal orientiertes Bau-, Reparatur- und Dienstleistungsgewerbe<br />

verfügen und sich das Versorgungsniveau mit derartigen Leistungen<br />

nicht fundamental unterscheidet, so sind die in der letzten Spalte ausgewiesenen Besatzzahlen<br />

völlig unplausibel. Der spanische kunstgewerbliche Handwerksbegriff lässt ebenso<br />

wie der hier angeführte informelle britische des Crafts Council 115 den „handwerklichen<br />

Sektor“ dieser Länder – gemessen an den mitteleuropäischen Abgrenzungspraktiken<br />

– als viel zu klein erscheinen.<br />

Die hier auftretenden massiven Erfassungsprobleme lassen sich am Beispiel des Vergleichs<br />

der deutschen und der französischen Handwerksstatistik veranschaulichen:<br />

– In Frankreich sind überwiegend solche Unternehmen im „Répertoire des Métiers“,<br />

dem französischen Pendant zur Handwerksrolle, registriert, die in der Regel nicht<br />

mehr als 10 (15) 116 Lohnempfänger ohne Auszubildende und zuzüglich zwei Verwaltungsangestellte<br />

beschäftigen. 73 % (4,4 Mill.) der in der deutschen Handwerkszählung<br />

1995 <strong>für</strong> den 30. September 1994 gezählten Beschäftigten waren in Unternehmen<br />

mit 10 und mehr Beschäftigten tätig. Das deutsche Handwerk würde daher<br />

nach französischen Abgrenzungskriterien trotz der größeren Bevölkerungszahl (82<br />

vs. 59 Mill.) weniger Beschäftigte umfassen als das französische (1,6 Mill. in<br />

Deutschland, 2,0 Mill. in Frankreich in 1994) bzw. ungefähr genau so viele, sofern<br />

man berücksichtigt, dass in Frankreich faktisch auch etliche Unternehmen dem<br />

Handwerk zugerechnet werden, in denen 10 (15) und mehr Beschäftigte tätig<br />

sind 117 .<br />

– Zugleich sind die in beiden Ländern dem „artisanat“ bzw. dem „Handwerk“ zugerechneten<br />

Wirtschaftsbereiche keineswegs identisch. Erster Unterschied: In<br />

Deutschland orientiert man sich gemäß der Logik des berufsbezogenen Ansatzes an<br />

Handwerksberufen, auch wenn der betreffende Beruf längst nicht mehr die Haupterwerbsquelle<br />

des in der Handwerksrolle erfassten Unternehmens darstellt. Letzteres<br />

kann sich z.B. mit Einzelhandel, Handelsvermittlung oder Großhandel befassen oder<br />

Dienstleistungen erbringen, die nichts oder nur noch am Rande etwas mit der registrierten<br />

Gewerkezugehörigkeit zu tun haben. Für die erfassten französischen Kleinunternehmen<br />

ist dagegen von einer weitaus größeren Übereinstimmung zwischen<br />

registriertem „métier“ und erfasster Tätigkeit auszugehen. Zweiter Unterschied: Die<br />

Palette der erfassten Handwerksberufe ist zwar in wesentlichen Punkten identisch.<br />

115 Es gibt in Großbritannien auch andere informelle institutionelle Handwerksdefinitionen, keine davon<br />

kann Verbindlichkeit <strong>für</strong> sich beanspruchen.<br />

116 Die Zahl wird derzeit schrittweise auf 15 erhöht, um dem betrieblichen Strukturwandel Rechnung zu<br />

tragen.<br />

117 Die französische Abgrenzung von Handwerk und Nichthandwerk ist – wie die deutsche – nicht<br />

trennscharf. Sie lässt indessen längst nicht so große Spielräume, „Zweifelsfälle“ und Großunternehmen<br />

unter das Handwerk zu subsumieren wie die deutsche.

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