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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel IX: Europäischer Vergleich 383<br />

KAPITEL IX<br />

DAS DEUTSCHE HANDWERK IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH<br />

1. Artisanat, Crafts, Handwerk?<br />

Definition und Erfassung des „Handwerks“<br />

im europäischen Vergleich<br />

Die in den europäischen Sprachen anzutreffenden Bezeichnungen <strong>für</strong> unser Forschungsobjekt<br />

wie z.B. „artisanat“, „crafts“ und „Handwerk“ 113 meinen zwar im Prinzip<br />

den gleichen Gegenstand, sind aber hinsichtlich des Umfangs und der Attribute des<br />

Bezeichneten nicht deckungsgleich und daher nur mit großem Vorbehalt gleichzusetzen.<br />

Trotzdem dürften Sprecher der elf Nationalsprachen der Europäischen Union (EU-<br />

15) kaum große Schwierigkeiten dabei haben, sich untereinander auf einen europaweit<br />

akzeptierten umgangssprachlichen Handwerksbegriff zu verständigen. Alle europäischen<br />

Länder verfügen über eine reiche Handwerkstradition, die bis in das frühe Mittelalter<br />

zurückreicht. Überall in Europa hat die im 18. Jahrhundert in England einsetzende<br />

Industrialisierung das traditionelle Handwerk auf breiter Front in eine Nischenposition<br />

zurückgedrängt, und im Zuge des Industrialisierungsprozesses haben neue handwerkliche<br />

Tätigkeiten, die zumeist in enger Symbiose mit der Industrie stehen, die vorindustriellen<br />

ersetzt.<br />

Aktivitäten handwerklichen Typs sind heute im wirtschaftlichen Alltagsleben aller europäischen<br />

Volkswirtschaften in Gestalt von Bautätigkeiten, Reparaturen industrieller<br />

Produkte, Reinigungsarbeiten und personenbezogenen Dienstleistungen, aber auch<br />

kunsthandwerklichen Arbeiten massiv präsent. Trotz dieser in den wirtschaftlichen<br />

Strukturen der europäischen Länder anzutreffenden Gemeinsamkeiten meinen Fachleute<br />

aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland aber sehr unterschiedliche Sachverhalte,<br />

wenn sie über „artisanat“, „crafts“ oder „Handwerk“ reden. Hierbei geht es nämlich<br />

stets um institutionelle Definitionen des „Handwerks“, die in der Regel nicht deckungsgleich<br />

mit umgangssprachlichen Handwerkskategorien sind, sondern mitunter<br />

sehr stark von diesen abweichen.<br />

In diesem Zusammenhang sei an die begrifflichen Implikationen des deutschen Handwerksrechts<br />

erinnert. Nur eine Minderheit der Deutschen dürfte in der Lage sein,<br />

Handwerk im Sinne der Handwerksordnung präzise zu definieren. Die Zuordnungsprobleme,<br />

die hierbei im Einzelnen sowohl im Grenzbereich zwischen Handwerk und<br />

Industrie als auch zwischen Handwerk im Sinne der Anlage A der HwO, Anlage B-<br />

Gewerben und nichthandwerklichen, wesentlich auf Handarbeit basierenden Tätigkeiten<br />

bestehen, sind in der Regel nur Experten bekannt und führen zu den im Kapitel II angesprochenen<br />

statistischen Erfassungsproblemen.<br />

113 Im vorliegenden Kapitel wird der Begriff „Handwerk“ zumeist losgelöst von der per HwO festgeschriebenen<br />

deutschen Legaldefinition des Handwerks in einem institutionsneutralen Sinn verwendet,<br />

wie dies auch in der Umgangssprache üblich ist.

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