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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel IX: Europäischer Vergleich 431<br />

Auch das sektorale Muster der Ausbildungsintensitäten ist ähnlich beschaffen wie in<br />

Deutschland, so weist das Reparaturgewerbe besonders hohe Lehrlingsanteile auf und<br />

auch das Schweizer Baugewerbe bildet überdurchschnittlich aus (Wetter 1994: 14-15).<br />

Der Anteil der ausbildenden Betriebe unter den Schweizer KMU, unter denen sich<br />

schwach ausbildende nichthandwerkliche Sektoren befinden, lag 1994 bei rd. einem<br />

Viertel (24 %). Im Schweizer Handwerk war der Anteil der ausbildenden Betriebe dagegen<br />

wesentlich höher. Er lag in der Holzverarbeitung bei 40 %, im Reparaturgewerbe<br />

bei 37 % und im Baugewerbe bei 36 %. Im deutschen Holzgewerbe (Gewerbezweiggruppe<br />

III) bildeten 1994 37 % aller Handwerksunternehmen aus, unter den Kfz-<br />

Mechanikerbetrieben 46 % und im Baugewerbe (Gewerbezweiggruppe I) 28 %.<br />

Aus den präsentierten Zahlen ist zu folgern, dass nicht nur das deutsche, sondern auch<br />

das Schweizer Handwerk in bedeutendem Maße über den eigenen Bedarf hinaus Lehrlinge<br />

ausbildet. Die Frage nach der Motivation dieses Ausbildungsverhaltens wurde in<br />

Deutschland durch die Forschung bislang nicht sehr überzeugend beantwortet. Aus ökonomischer<br />

Sicht wäre ein solches Verhalten nämlich nur dann sinnvoll, wenn die den<br />

ausbildenden Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbildung erwachsenden Erträge<br />

die Kosten übersteigen. Ein Kostenüberschuss wäre im Zusammenhang mit der<br />

Ausbildung nur dann tolerierbar, wenn die ausbildenden Betriebe später Suchkosten und<br />

Einarbeitungskosten <strong>für</strong> angeworbene Arbeitskräfte einsparen könnten, die Kosten-<br />

Nutzen-Bilanz der Ausbildung sich also auf längere Sicht zum Besseren wenden würde.<br />

Berufsverbände und Kammern neigen aus verständlichen Gründen dazu, in der ausbildungspolitischen<br />

Diskussion vor allem die Kosten zu betonen und die Erträge eher gering<br />

zu veranschlagen. 138 Bei einer defizitären Kosten-Ertrags-Bilanz der Betriebe<br />

müssten andere – außerökonomische – Motive ins Spiel kommen, z.B. ein vom ständischen<br />

Berufsdenken getragenes Verantwortungsbewusstsein vieler Handwerksmeister,<br />

die aus altruistischen Motiven die „Ausbildungslast“ freiwillig auf sich nähmen. Auch<br />

ein korporatistischer Mechanismus der Selbstverpflichtung könnte eine Rolle spielen.<br />

Dieser liefe darauf hinaus, dass Handwerksmeister sich auf den Aufruf ihrer Berufsbände<br />

und Kammern hin im Zweifelsfall dazu entschließen, doch Auszubildende einzustellen,<br />

auch wenn sie sich ansonsten eigentlich anders entschieden hätten.<br />

Die bislang verfügbaren, auf Daten des BIBB basierenden Studien scheinen die These<br />

der außerökonomischen Motivationsfaktoren zu unterstützen. In empirischen Analysen<br />

der Kosten und Erträge der Ausbildung, die sich auf repräsentative Befragungen ausbildender<br />

Unternehmen stützen, wurden bei den meisten Betrieben 1995 in den Teilkostenrechnungen<br />

139 – bei Betrachtung der innerhalb der Lehrzeit <strong>für</strong> die Betriebe anfallenden<br />

Kosten und Erträge – deutliche Kostenüberschüsse diagnostiziert (Bardeleben, Beicht,<br />

138 Unternehmer bekennen sich freilich bisweilen auch offen dazu, dass das betriebswirtschaftliche<br />

Kalkül der Lehrlingsausbildung aufgeht, so z.B. der Trigema-Chef Wolfgang Grupp (Grupp 2003).<br />

139 Alle hier angegebenen Zahlen basieren auf den Teilkostenrechnungen, die hier nicht zitierten Vollkostenrechnungen<br />

lassen die Kosten-Nutzen-Relationen der Lehrlingsausbildung in einem <strong>für</strong> die<br />

Betriebe noch weit ungünstigeren Licht erscheinen.

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