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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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Kapitel V: Strukturwandel im Handwerk I: Branchenübergreifende Aspekte 173<br />

historisch relativ neue Erscheinung. Die Anfänge des Gerüstbaus als eigenständiges<br />

Gewerbe spezialisierter Betriebe datieren aus den dreißiger Jahre und stehen mit dem<br />

Einsatz von Stahlgerüsten in Zusammenhang (Klaus Löhr o.J.).<br />

Die Aufnahme des Gerüstbaus in die Anlage B der HwO (er ist erst seit 1998 in Anlage<br />

A) 85 erfolgte als Reaktion auf diese Tendenz, sie könnte zugleich aber zur Konsolidierung<br />

des Gerüstbaus als eigenständiger Erwerbszweig geführt haben. Auch könnte der<br />

Meisterzwang gründungswillige, aber nicht zur Ablegung der Meisterprüfung bereite<br />

Gesellen aus dem Baubereich dazu animiert haben, sich als Gerüstbauer selbständig zu<br />

machen. Die wirtschaftliche Dynamik des Gerüstbaus indessen ist ganz von der Entwicklung<br />

des Bauhauptgewerbes und den „Make-or-buy-Entscheidungen“ der Bauunternehmen<br />

abhängig.<br />

Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme, die handwerksähnlichen Gewerbe verzeichneten<br />

ausschließlich wegen des Fehlens des Meisterzwangs eine ganz außergewöhnliche<br />

wirtschaftliche Dynamik und diese würde auch das Vollhandwerks ergreifen,<br />

sobald nur die Zutrittsbarriere „großer Befähigungsnachweis“ gefallen ist, naiv. Zur<br />

dynamischen Entwicklung des Unternehmensbestandes haben neben dem Handwerksrecht<br />

auch andere Faktoren beigetragen. Diese lassen sich nur aus den jeweiligen<br />

Branchenkonstellationen heraus verstehen.<br />

Schließlich ist auf den Einfluss der betrieblichen Restrukturierungsprozesse in der<br />

Bauwirtschaft und auf das Gründungsverhalten im großen baugewerblichen Bereich der<br />

handwerksähnlichen Gewerbe hinzuweisen. Die in der wirtschaftspolitischen Diskussion<br />

mit sog. „Scheinselbständigkeit“ assoziierte Wiederkehr des Alleinunternehmertums<br />

im Baugewerbe hat in den neunziger Jahren eine erhebliche Rolle bei der Expansion der<br />

handwerksähnlichen Gewerbe gespielt.<br />

Bei Wertung der wirtschaftlichen Bedeutung der handwerksähnlichen Gewerbe ist zu<br />

berücksichtigen, dass die Beschäftigungseffekte der Gründungen in diesem Bereich<br />

recht niedrig sind. Die durchschnittliche Betriebsgröße der handwerksähnlichen Gewerbe<br />

lag 1995 bei 2,6 Beschäftigten, im Vollhandwerk hingegen bei 10,8 Beschäftigten<br />

(beides einschließlich Inhaber). Die Eingangsgröße handwerklicher Gründungen<br />

liegt bei etwa 5 Beschäftigten, bei den handwerksähnlichen Gründungen hingegen bei<br />

nur bei etwa 1,5. Der Nettobeschäftigungseffekt des positiven Gründungssaldo der<br />

Handwerksähnlichen hält sich also in engen Grenzen.<br />

Die Unterschiede bezüglich der Gründungs- und Liquidationsquoten zwischen Handwerk<br />

und handwerksähnlichen Gewerbe sind frappierend. Im Jahre 2002 lag die bun-<br />

85 Dass ausgerechnet das 1998 in die Anlage A aufgenommene „Neuhandwerk“ der Gerüstbauer den<br />

Liberalisierungskahlschlag der Novelle 2003 als Handwerk mit obligatorischen großen Befähigungsnachweis<br />

überlebt hat, ist als Ironie der Rechtsgeschichte werten. Freilich war diese Entscheidung<br />

des Gesetzgebers nur allzu logisch. Nur wenige Gewerke können das Moment der Gefahrengeneigtheit<br />

so <strong>für</strong> sich in Anspruch nehmen wie die Gerüstbauer.

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