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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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58 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

ber „traditionelle“ Handwerk 31 in eine vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus unbedeutende<br />

Nischenproduktion verdrängt worden, was freilich die individuellen Verdienste<br />

der diese Gewerke ausübenden Handwerker bei ihrer wirtschaftlichen Behauptung im<br />

Wettbewerb und bei Pflege der kulturellen Traditionen handwerklichen Schaffens nicht<br />

schmälert.<br />

In einigen Bereichen dauert der Verdrängungsprozess traditioneller handwerklicher<br />

Produktion an. Das wichtigste Beispiel <strong>für</strong> eine durch Industrialisierung bedingte Marginalisierung<br />

traditionell-handwerklicher Produktion bieten die Textil- und Bekleidungshandwerke<br />

und die Möbeltischlerei. In anderen Fällen – vornehmlich im Backgewerbe<br />

– führt die Verbreitung industrieller Produktionstechniken nicht einfach zum Ersatz<br />

dezentraler handwerklicher Gütererstellung durch zentralisierte industrielle Produktion,<br />

sondern zu einem Wandel der Produktionsformen und der Formen der Unternehmensorganisation<br />

im „Handwerk“, der letztlich dessen Identität verändert.<br />

Wiederum in anderen Bereichen – insbesondere im Investitionsgütergewerbe – haben<br />

die Handwerksunternehmen auf breiter Basis längst die Produktionsformen, Maschinen,<br />

Ausrüstungen und Arbeitsorganisation der Industrie übernommen. Die Technisierung<br />

geht hier mit einem tiefgreifenden Strukturwandel des „Handwerks“ einher, obwohl<br />

dieses dadurch keineswegs der „Handwerkseigenschaft“ im Sinne des deutschen Handwerksrechts<br />

verlustig geht. 32 Immerhin unterscheiden sich im Zuge dieser Mechanisierung<br />

und Automatisierung der Handwerksunternehmen im Investitionsgütergewerbe<br />

„Handwerk“ und „Kleinindustrie“ – abgesehen vom Kriterium der Rolleneintragung –<br />

substanziell nicht voneinander. Ein Schweizer Machinenbaumechaniker z.B. hätte heute<br />

wohl große Schwierigkeiten, sich in Unkenntnis der Finessen des deutschen Handwerksrechts<br />

als „Handwerker“ oder „Industrieunternehmer“ zu positionieren.<br />

Es ist nicht zu übersehen, dass Produkt- und Prozessinnovationen heute – wie im ganzen<br />

20. Jahrhundert – handwerklichen Tätigkeiten, auch solchen die selbst erst im Industrialisierungsprozess<br />

entstanden sind, den wirtschaftlichen Boden entziehen. Beispiele<br />

hier<strong>für</strong> lassen sich in vielen Bereichen der Handwerkswirtschaft finden:<br />

– Die Diffusion der digitalen Kopier- und Druckmachinen macht das traditionelle<br />

Druckgewerbe in erheblichem Maße obsolet. Handwerksberufe verlieren an Bedeutung<br />

bzw. viele Unternehmen können wirtschaftlich nur überleben, wenn sie ihr Tä-<br />

31 Da ausnahmslos alle Gewerke in der einen oder anderen Weise vom technischen Fortschritt profitiert<br />

haben, ist eine Etikettierung von Produktions- und Organisationsformen als „traditionell“ fragwürdig.<br />

Bei näherer Prüfung zeigt sich, dass die heute als „handwerkliche Tradition“ verstandene Charakteristika<br />

vieler Gewerke auf das 19. oder 20. Jahrhundert zurückgehen.<br />

32 Degenhart (1996: 551f) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Maschineneinsatz kein<br />

Kriterium <strong>für</strong> die Zuordnung von Unternehmen zum Handwerk sei, da das Handwerk selbst einen<br />

mechanisierungsbedingten Strukturwandel erfahre. Aus handwerksrechtlicher Sicht ist dieser Standpunkt<br />

sicher völlig korrekt, aus analytischer Sicht führt er zu dem nicht lösbaren Definitionsproblem,<br />

was „Handwerk“ letztlich sei (vgl. Kapitel II, Abschnitt 1)

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