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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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450 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Ziele in den Rang wichtiger Gemeinschaftsinteressen<br />

zu erheben (Rother 1982: 124). Diesem Ermessen sei allerdings dann<br />

eine Grenze gesetzt, wenn die Anschauungen des Gesetzgebers „offensichtlich fehlsam<br />

oder mit der Wertordnung des Gesetzes unvereinbar sind“. Das Bundesverfassungsgericht<br />

prüfte folglich, inwieweit die vom Gesetzgeber vorgebrachten Vorstellungen zu<br />

den wichtigen Gemeinschaftsgütern, welche die Einschränkung der Gewerbefreiheit<br />

durch die Handwerksordnung rechtfertigen sollten, verfassungskonform seien und kam<br />

zum Ergebnis, dass gegen die Argumentationen des Gesetzgebers keine verfassungsrechtlichen<br />

Einwände zu erheben seien.<br />

Im Folgenden geht es nicht um die – von uns nicht zu beurteilende – verfassungsrechtliche<br />

Frage des grundsätzlichen Entscheidungsmaßstabes, welcher eine Einschränkung<br />

des § 12 GG rechtfertigen, sondern allein darum, ob die vom BVG juristisch geprüften<br />

Argumentationen des Gesetzgebers zugunsten des Schutzes wichtiger Gemeinschaftsgüter<br />

aus ökonomischer Sicht heute noch erfüllt sind.<br />

Erstes und zentrales Kriterium ist die Erhaltung des erreichten Leistungsstands im<br />

Handwerk und über diese der Leistungsfähigkeit des Mittelstandes. Der Gesetzgeber<br />

hatte in seiner Begründung des Gesetzes zur Handwerksordnung argumentiert, dass<br />

allein durch den großen Befähigungsnachweis der hohe Leistungsstandard des deutschen<br />

Handwerks zu bewahren sei. Als zweites ergänzendes Kriterium zieht das BVG<br />

den Ausbildungsbeitrag des Handwerks heran. Der überragende Ausbildungsbeitrag des<br />

Handwerks, so der Gesetzgeber, sei letztlich Folge des großen Befähigungsnachweises<br />

und ohne diesen nicht möglich. Auch dieser vom Gesetzgeber dargestellte Zusammenhang<br />

rechtfertige, so das Gericht, die Einschränkung der Freiheit der Berufswahl durch<br />

die §1 und § 7 der HwO. Ein drittes in der juristischen Diskussion befindliches Kriterium<br />

– die Gefahrengeneigtheit bestimmter Handwerksberufe – stellte hingegen aus Sicht<br />

des Gerichts keinen hinreichenden Grund <strong>für</strong> die Zulässigkeit der durch die Handwerksordnung<br />

im Ganzen vorgenommenen Einschränkungen der freien Berufswahl dar.<br />

Ob dies eine solche Einschränkung beim einzelnen gefahrengeneigten Handwerk rechtfertige,<br />

wurde nicht erörtert. 155<br />

Über den Leistungsstand des deutschen Handwerks lässt sich eigentlich nur dann sinnvoll<br />

diskutieren, wenn Einvernehmen darüber besteht, was genau unter diesem zu verstehen<br />

ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass selektiv ein Faktor unter vielen möglichen<br />

herausgegriffen und zur allgemeinen Messlatte <strong>für</strong> das Leistungsvermögen des<br />

Handwerks erhoben wird. Verstehen wir unter dem Leistungsstand des Handwerks einen<br />

komplexen Indikator, in den die an Wertschöpfungs- und Beschäftigungsanteilen<br />

sowie Ausbildungsbeitrag gemessene volkswirtschaftliche Bedeutung des Handwerks,<br />

155 In einem Rechtsgutachten, das der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 28. April 1952 dem<br />

Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Vereinbarkeit der generellen Einführung des großen Befähigungsnachweises<br />

mit Art. 12 GG erstattet hat, wird festgestellt, dass die Beschränkung der HwO<br />

auf die „wirklich gefahrendrohenden Handwerke“ möglich sei (Spengler, Dörinkel 1953: 64). Dies<br />

bedürfe allerdings einer neuen Rechtssetzung, sprich Novellierung der HwO.

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