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RWI - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung

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448 Determinanten des Strukturwandels im deutschen Handwerk – Studie des <strong>RWI</strong><br />

trakter Natur, die empirische Basis der Argumentation sowohl der Gegner als auch der<br />

Be<strong>für</strong>worter des Großen Befähigungsnachweises hingegen im Allgemeinen schwach, in<br />

den meisten Fällen war eine solche wohl überhaupt nicht vorhanden. Das Fehlen fundierter<br />

Studien über Marktstrukturen und Wettbewerb, betriebliche Strukturbildung,<br />

Qualität und Preise in den handwerksdominierten Wirtschaftszweigen führt dazu,<br />

dass Alltagserfahrungen und Spekulationen zur vermeintlichen empirischen „Bestätigung“<br />

theoretischer Aussagen herangezogen werden. Viele Ökonomen glauben offenbar,<br />

bereits aus eigener negativer oder positiver Erfahrung hinreichend über das Handwerk<br />

informiert zu sein. Auf Basis einer so kreierten „Pseudoempirie“ ist die Gefahr<br />

einer ideologischen Überhöhung der Diskussion über den „Meisterzwang“ angelegt,<br />

welche eine wissenschaftlich fundierte, sachliche Bewertung der Regulierungstatbestände<br />

bis zum heutigen Tag in höchstem Maße erschwert.<br />

Es überrascht im Rückblick, wie wenig sich die wirtschaftswissenschaftliche Forschung<br />

bislang an einer empirischen Überprüfung der ernster zu nehmenden unter den vorgetragenen<br />

Argumenten versucht hat. Manche Argumente freilich, insbesondere die ständeökonomischen,<br />

sind so vordergründig, dass sich eine empirische Überprüfung von<br />

vornherein erübrigt. Dies trifft beispielsweise auf die These der ruinösen Konkurrenz<br />

zu, in welche die Gewerbefreiheit angeblich zwangläufig einmünde. Es ist z.B. nicht<br />

einzusehen, warum der Wettbewerb bei Bäckern, Fleischern und Bierbrauern nicht<br />

funktionieren soll, wohingegen er doch beispielsweise auf dem Gastronomiemarkt, den<br />

Weinmärkten oder dem Speiseeismarkt (im Ganzen) bestens funktioniert. Überhaupt<br />

wäre der Nachweis eines Markt- oder eines Wettbewerbsversagens auf den Handwerksmärkten<br />

überhaupt erst einmal durch die Be<strong>für</strong>worter der Handwerksordnung zu<br />

erbringen. – Und zwar nicht pauschal <strong>für</strong> das „Handwerk“, sondern <strong>für</strong> jeden einzelnen<br />

der wichtigeren Handwerksmärkte – handelt es sich doch um äußerst unterschiedliche<br />

Güter- und Leistungsmärkte, die sich nicht über einen Kamm scheren lassen.<br />

Wenig hilfreich ist, dass dort, wo die Auseinandersetzung um den großen Befähigungsnachweis<br />

sich auf das Feld empirischer Forschung begeben hat, eher „Nebenkriegsschauplätze“<br />

besetzt wurden, die aus regulationstheoretischer Sicht zweitrangig oder<br />

sogar irrelevant sind. Beispiele hier<strong>für</strong> sind die Diskussion um die sog. „Meisterreserve“<br />

und um die angebliche, den Kammern sicher zu Unrecht vorgeworfene systematische<br />

Manipulation von Meisterprüfungen (z.B. Watrin 1958: 99-114).<br />

Im neunten Kapitel wurde gezeigt, dass sich europäisches Handwerk nicht so grundlegend<br />

von Land zu Land unterscheidet, wie man dies vielleicht aufgrund der unterschiedlichen<br />

rechtlichen Regelungen vermuten könnte. Die institutionellen Rahmenbedingungen<br />

sind stets nur eine unter vielen Determinanten der Handwerksentwicklung. Monokausale<br />

Erklärungen, welche der Regulierung einen exklusiven Einfluss auf das Handwerk<br />

beimessen, sind auf jeden Fall falsch. Auch darf man nicht übersehen, dass die<br />

deutsche Marktzutrittsregelung nur ein Element einer wesentlich komplexeren „institutionellen<br />

Matrix“ ist, welche auch diverse technische Vorschriften, Umweltschutzauflagen,<br />

gewerberechtliche Meldepflichten und Ähnliches umfasst. Dies alles müsste bei<br />

einer Wirkungsanalyse nationaler Regulierungssysteme mit berücksichtigt werden.

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