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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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Nachdem sie sich so zu einer Überprüfung des Königs und seines Ministers<br />

entschlossen hatte, stieß die Dämonin KarkaÂī einen schrillen Schrei aus und<br />

begann zu brüllen. Dann rief sie: „He, ihr beiden kleinen Würmer, die diesen<br />

finsteren Wald durchwandern! Wer seid ihr? Sagt es schnell, oder ich werde<br />

euch verschlingen.“<br />

Der König erwiderte: „Oh du Geist, wer bist du, und wo bist du? Ich höre<br />

dich nur; lass dich doch auch sehen.“<br />

Als die Dämonin diese kaltblütige und ruhige Frage des Königs vernommen<br />

hatte, erkannte sie sogleich, dass diese Frage berechtigt war und machte sich<br />

sichtbar. Der König und der Minister bekamen nun ihre schreckliche Gestalt<br />

zu sehen. Ohne aber im Geringsten beunruhigt zu sein, sprach der Minister zu<br />

ihr: „Oh Dämonin, weshalb bist du denn so böse? Es ist natürlich für alle<br />

Lebewesen, nach Nahrung zu verlangen. In der Ausübung und Verfolgung der<br />

natürlichen Lebensfunktionen muss niemand übel gesinnt sein. Sogar selbstsüchtige<br />

Ziele werden von den Weisen durch angemessene Mittel und sinnvolles<br />

Verhalten oder Tätigkeit erreicht, wenn sie ihren Ärger und ihre mentale<br />

Erregung aufgegeben und Gleichmut und einen klaren Verstand gewonnen<br />

haben. Wir haben schon Tausende solcher Insekten wie dich kennen gelernt<br />

und sind stets auf gerechte Weise mit ihnen verfahren, denn es ist die Pflicht<br />

eines Königs, die Schlechten zu bestrafen und die Guten zu schützen. Gib<br />

deinen Ärger auf und erreiche dein Ziel, indem du dich der Besonnenheit<br />

zuwendest. Darin besteht das rechte Betragen; unabhängig davon, ob man<br />

nun seine Ziele verwirklichen kann oder nicht, sollte man stets friedfertig<br />

bleiben. Wende dich vertrauensvoll an uns mit deinen Bedürfnissen, denn wir<br />

haben noch niemals einen Bettler mit leeren Händen gehen lassen.“<br />

KarkaÂī bewunderte aufs Äußerste den Mut und die Weisheit der beiden<br />

Männer. Siesah, dass es sich bei den beiden nicht um gewöhnliche menschliche<br />

Wesen, sondern um erleuchtete Männer handelte, da schon der Anblick<br />

ihrer Antlitze ihr Herz mit Frieden erfüllte. Sobald zwei erleuchtete Wesen<br />

einander treffen, verschmelzen ihre Herzen in Frieden und Seligkeit, wie sich<br />

die Wasser zweier Bergflüsse im Zusammenfluss vermischen. Außerdem –<br />

wer sonst als ein weiser Mann könnte angesichts des fast sicheren Todes den<br />

Gleichmut bewahren? KarkaÂī dachte daher: „Ich will diese Gelegenheit nutzen,<br />

um die Zweifel zu beseitigen, die sich noch in meinem Geist befinden.<br />

Wer die Gelegenheit des Zusammenseins mit weisen Männern nicht dazu<br />

nutzt, seine Zweifel zu klären, ist wahrhaftig ein Dummkopf. “<br />

Auf ihre Bitte informierte der Minister sie über die Person des Königs.<br />

KarkaÂī gab daraufhin die folgende scharfe Erwiderung: „Oh König, du<br />

scheinst keinen sehr weisen Minister zu haben! Ein guter Minister macht den<br />

König weise, und so wie der König ist, so werden auch seine Untertanen sein.<br />

Die Herrschaft über das Reich und die gerechte Sichtweise entstehen aus der<br />

königlichen Wissenschaft (der Selbsterkenntnis). Wer diese nicht beherrscht,<br />

ist weder ein guter Minister noch ein weiser König. Wenn ihr beide keinerlei<br />

Selbsterkenntnis besitzt, dann werde ich euch entsprechend meiner eigenen<br />

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