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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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III:109<br />

anderen Fallen und Waffen fügte ich den Vögeln und Tieren unsägliches Leid<br />

zu.<br />

Nur in ein Lendentuch gekleidet, ertrug ich alle Unbilden des Wetters. So<br />

verbrachte ich sieben Jahre. Gebunden durch die Stricke der bösen Neigungen<br />

lebte ich wild vor Wut und schlimme Worte gebrauchend, gebadet in Unglück<br />

und verrottete Nahrung essend. So verbrachte ich an diesem Ort eine lange,<br />

lange Zeit. Ich trieb wie in trockenes Blatt im Wind umher, und meine einzige<br />

Lebensaufgabe war das Essen.<br />

Dann kam eine Dürre über das Land. Die Luft war so heiß, dass ihre Winde<br />

Feuerzungen entsandten. Der Wald fing Feuer – und nur Asche blieb von ihm<br />

übrig. Die Menschen starben an Hunger. Sie verfolgten Luftspiegelungen, in<br />

dem Irrtum, da sei Wasser. Sie hielten Kiesel für Fleischbällchen und begannen<br />

sie zu kauen.<br />

Einige unter ihnen begann sogar Leichen zu fressen. Während sie ihren<br />

kannibalischen Neigungen nachgingen, kauten sie sogar auf ihren Fingern<br />

herum, die vom Blut dieser toten Körper besudelt waren. So weit war es mit<br />

ihnen in ihrem Hungerwahn gekommen.<br />

Was einmal ein blühender Wald war, wurde in ein riesiges Krematorium<br />

verwandelt. Was einst ein freudeerfülltes Land war, war nun ein grauenhafter<br />

Ort, in dem die Todesschreie der Sterbenden widerhallten.<br />

(Hinweis: Diese beiden Kapitel sind voll von passenden graphischen Darstellungen.)<br />

DER KÖNIG fuhrt fort:<br />

Vom Hungertod bedroht, verließen viele Menschen das Land und wanderten<br />

in andere Gegenden. Andere wiederum, die sehr an ihren Frauen und<br />

Kindern hingen, kamen in diesem Land um. Viele wurden von wilden Tieren<br />

getötet.<br />

Auch ich verließ zusammen mit meiner Frau und den Kindern das Land. An<br />

der Grenze des Landes lockte mich der kühle Schatten eines Baumes. Ich legte<br />

die kleinen Kinder, die ich auf den Schultern trug, nieder, und ruhte unter<br />

diesem Baum eine lange Zeit aus.<br />

Das jüngste meiner Kinder war noch ganz klein und unschuldig und war<br />

mir daher am liebsten. Mit Tränen in den Augen verlangte es nach Essen.<br />

Obwohl ich ihm schon gesagt hatte, dass es kein Fleisch mehr zu essen gab,<br />

bestand es in seiner kindlichen Unschuld auf seinem Verlangen, unfähig, den<br />

Hunger zu ertragen. Verzweifelt sagte ich ihm: „Nun gut, dann iss eben mein<br />

Fleisch!“ Das unschuldige Kind sagte ohne nachzudenken: „Dann gib es mir.“<br />

Ich war von Liebe und Mitleid bewegt. Ich sah, wie das Kind nicht länger die<br />

Schmerzen des Hungers zu ertragen vermochte. Daher beschloss ich, dass der<br />

beste Weg, all dieses Elend zu beenden, die Beendigung meines Lebens sei.<br />

Mit in der Nähe zusammengesuchtem Holz errichtete ich einen Scheiterhaufen.<br />

Und als ich dann den Scheiterhaufen bestieg, schauderte ich – und in<br />

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