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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

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VI.2:4<br />

Gute und böse Taten hören auf, sobald man erkennt, dass sie in Wirklichkeit<br />

als solche überhaupt nicht existieren. Deshalb sollte man die Wurzel der<br />

Tätigkeiten ergründen, bis diese Wurzel zerstört ist. So wie alles, was der<br />

Erde entsprießt, nicht verschieden von der Erde ist, so ist alles, was aus Bewusstsein<br />

entsteht, nicht verschieden vom Bewusstsein. Flüssigkeit ist nicht<br />

verschieden vom Flüssigen, und genau gleich gibt es in Brahman keinerlei<br />

Getrenntheit, nicht einmal zwischen Gemüt und Bewusstsein. In diesem Bewusstsein<br />

taucht ohne jede Ursache eine Aktivität auf, die man Gewahrsein<br />

nennt; sie ist daher so gut wie inexistent, da sie nicht verschieden vom Bewusstsein<br />

ist.<br />

Tätigkeit ist im Körper verwurzelt, der wiederum im Ich-Sinn wurzelt. Wird<br />

der Begriff des Ich-Sinnes preisgegeben, hört er (der Ich-Sinn) auf. So wird<br />

die Wurzel der Tätigkeit zerstört. Diejenigen, in denen so die Tätigkeit aufgehört<br />

hat, kümmern sich weder um Verzichten noch um Besitzen. Sie verbleiben<br />

verankert in dem, was ist, und ihre Handlungen sind gänzlich spontan;<br />

tatsächlich tun sie nichts! So wie den Fluss hinuntertreibende Gegenstände<br />

sich völlig nicht-willentlich bewegen, so wirken diese Menschen lediglich mit<br />

ihren Handlungsorganen. Sobald das Gemüt seine Konditionierung aufgegeben<br />

hat, verlieren die Objekte ihre Anziehungskraft.<br />

Ein solches Verständnis oder Erwachen der inneren Intelligenz ist schon<br />

das Aufgeben der Tätigkeiten. Worin sollte der Nutzen von „tun“ oder „lassen“<br />

bestehen? Was man mit dem Ausdruck „Aufgeben der Tätigkeiten“ bezeichnet,<br />

ist nichts anderes als das Aufhören des Gewahrseins von Tätigkeit und<br />

Erfahrung, das Aufgeben der Konditionierung und folglich das Erlangen von<br />

Frieden und innerem Gleichgewicht. Wenn anstelle des wahren, richtig verstandenen<br />

Aufgebens ein falsches Aufgeben (Nicht-Aufgeben) ins Spiel<br />

kommt, werden die Getäuschten, unwissend wie kleine Tiere, vom Kobold<br />

des „Aufgebens der Tätigkeiten“ besessen. Diejenigen dagegen, die die Wahrheit<br />

betreffend das Aufgeben der Tätigkeiten richtig verstanden haben, haben<br />

weder mit Tätigkeit noch Untätigkeit etwas zu tun. Sie erfreuen sich stets des<br />

höchsten Friedens, ob sie nun in ihrem Haus oder im Wald leben. Für die<br />

Friedvollen ist ein Haus wie ein Wald, während für die Ruhelosen sogar der<br />

Wald wie eine übervölkerte Stadt ist. Für jemanden, der im Frieden ist, ist die<br />

ganze Welt ein friedlicher Wald. Für den Ruhelosen, der von tausend Gedanken<br />

umher getrieben wird, ist sie ein Ozean des Grams.<br />

VASIåèHA fuhr fort:<br />

Oh Rāma, sobald der Ich-Sinn beruhigt ist, verschwindet die Welterscheinung.<br />

Dann entsteht ein spontanes Fahrenlassen der objektiven Wahrnehmung,<br />

so wie eine Lampe verlöscht, deren Öl aufgebraucht ist. Entsagung von<br />

Tätigkeit ist nicht Entsagung. Wahre Entsagung beruht auf Verstehen! Sobald<br />

die Lampe des Verstehens nicht mehr mit dem Öl des Ich-Sinns und des Besitzergreifens<br />

versorgt wird, bleibt als einziges die Selbsterkenntnis zurück.<br />

Wer den Ich-Sinn und das Empfinden von „mein“ nicht zurückgewiesen hat,<br />

kennt weder Entsagung noch Weisheit noch Frieden. Man kann sehr leicht die<br />

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