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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

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II:11<br />

Der Schöpfer sah, dass alle Lebewesen im Universum Krankheit und Tod,<br />

Schmerz und Freude, unterworfen waren. In seinem Herzen entstand großes<br />

Mitgefühl und er suchte nach einem Weg, der die lebenden Wesen aus all dem<br />

herauszuführen vermochte. Daraufhin rief er Pilgerorte und edle Tugenden<br />

wie Askese, Wohltätigkeit, Wahrhaftigkeit und rechtes Betragen ins Leben.<br />

Jedoch erwiesen sich diese als unzureichend, denn sie konnten dem Leiden<br />

der Menschen nur zeitweise Erleichterung verschaffen und keinerlei endgültige<br />

Befreiung vom Kummer gewähren.<br />

Nachdem er hierüber nachgesonnen hatte, erschuf der Schöpfer mich. Er<br />

zog mich zu sich und legte die Wolke der Unwissenheit auf mein Herz. Sofort<br />

vergaß ich meine wahre Natur und meine Identität. Ich fühlte mich elend. Ich<br />

flehte den Schöpfer Brahmā, meinen eigenen Vater, an, mir den Ausweg aus<br />

dieser Misere zu zeigen. Versunken im Elend war ich unfähig und unwillig,<br />

irgend etwas zu tun – ich blieb träge und müßig.<br />

Als Erwiderung meines Gebets enthüllte mir mein Vater das wahre Wissen,<br />

das unverzüglich den Schleier der Unwissenheit, den er selbst über mich<br />

ausgebreitet hatte,lüftete. Daraufhin sprach der Schöpfer zu mir: „Mein Sohn,<br />

ich verhüllte das Wissen und ich enthüllte es wieder, so dass du seine Herrlichkeit<br />

erfahren mögest, denn nur so kannst du die Qualen der unwissenden<br />

Wesen verstehen und ihnen beistehen.“ Ausgestattet mit dieser Erkenntnis,<br />

Rāma, bin ich hierher gekommen, und ich werde hier sein bis zum Ende der<br />

Schöpfung.<br />

VASIåèHA fuhr fort:<br />

In jedem neuen Zeitalter erschafft der Schöpfer aus freien Stücken verschiedene<br />

Weise wie mich, um der spirituellen Erleuchtung aller zu dienen.<br />

Und zur Aufrechterhaltung der gerechten Ordnung der täglichen Pflichten<br />

aller erschafft Brahmā darüber hinaus die Könige, die gerecht und weise über<br />

Teile der Erde herrschen. Diese Könige werden jedoch schon bald durch die<br />

Lust nach Macht und Vergnügen verdorben, und Interessenskonflikte führen<br />

zu Kriegen, welche in Trauer und Reue enden. Um ihre Unwissenheit zu beseitigen,<br />

pflegen die Weisen sie in der spirituellen Weisheit zu unterrichten.<br />

In den alten Zeiten, oh Rāma, empfingen die Könige diese Weisheit und<br />

schätzten sie auch. Aus diesem Grunde war dieselbe als Rāja-Vidyā, die königliche<br />

Wissenschaft, bekannt.<br />

In deinem Herzen ist die höchste Form der Leidenschaftslosigkeit erwacht,<br />

geboren aus Unterscheidung, oh Rāma, und diese ist der Leidenschaftslosigkeit,<br />

die aus zufälligen Umständen oder großem Ekel entstanden ist, überlegen.<br />

Eine Leidenschaftslosigkeit dieser Art ist gewiss nur der Gnade Gottes zu<br />

verdanken. Es ist diese Gnade, die mit der Reife des Unterscheidungsvermögens<br />

in genau dem Moment zusammentrifft, wenn im Herzen die Leidenschaftslosigkeit<br />

entsteht.<br />

Solange nicht die höchste Wahrheit im Herzen dämmert, bleibt der Mensch<br />

in diesem Rad von Geburt und Tod gefangen. Höre nun bitte meiner Darlegung<br />

dieser Weisheit mit aufmerksamem Gemüt zu.<br />

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