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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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VI.2:147<br />

Für uns Erleuchtete gibt es keine Schöpfung, keinen Tod und kein Aufhören<br />

von etwas – alles ist auf ewig ungeboren und friedvoll. Brahman ist reines<br />

Sein. Auch die Welt ist reines Sein. Wen können dann Gebote und Verbote<br />

betreffen? Die Māyā genannte illusorische Macht allein ist das Thema der<br />

Diskussion und Argumentation um das „es ist“ und „es ist nicht“ herum. Dispute<br />

dieser Art werden daher von den unwissenden Leuten auf Brahman<br />

oder das unendliche Bewusstsein ausgedehnt.<br />

Für diejenigen, die die Wahrheit oder den höchsten Zustand kennen, existieren<br />

die Zustände von Wachen, Träumen und Schlafen überhaupt nicht. Was<br />

ist, ist wie es ist. Die Traumwelt wie auch überhaupt die Welt, die man in der<br />

eigenen Einbildung sieht, ist nicht wirklich, obwohl sie für die Zeit ihres Dasein<br />

als solche erfahren wird. Sie existierte auch zu Beginn dieser Weltschöpfung<br />

nicht oder trat irgendwie ins Dasein. Wenn somit die Welt als reines<br />

Bewusstsein realisiert wird, ist sie kein Objekt der Wahrnehmung; deshalb<br />

gibt es weder ein Subjekt oder einen Beobachter, noch eine Erfahrung oder<br />

einen Erfahrenden.<br />

DER WEISE fuhr fort:<br />

Als ich aus dem Tiefschlaf erwachte, entstand diese Welt in meinem Traum<br />

wie aus einem Ozean, wie eine Statue aus einem Stein, wie Blüten auf einem<br />

Baum, wie die Erinnerung im Gemüt und wie die Wellen auf dem Ozean. Es<br />

war, als fielen sie aus dem Himmel, als stiegen sie aus dem Erdinnern, als<br />

erblühten sie im Herzen, als würden sie wie Weizen dem Acker entspriessen,<br />

als wäre der Vorhang, der sie verhüllte, gelüftet worden, als kämen sie aus<br />

einem Tempel. Von wo ist diese Welt gekommen? Niemand weiß es. Gewiss<br />

ist sie das im Steinblock namens unendliches Bewusstsein verborgene Bildnis.<br />

Sie ist wie die eingebildete Stadt bestehend aus Mauern, die reiner Raum<br />

oder Leere sind. Sie ist das Kunststück des Taschenspielers namens Unwissenheit.<br />

Obgleich sie wie eine solide Realität erscheint, ist sie in ihrem Wesen<br />

ohne Zeit und Raum. Obgleich sie vielfältig zu sein scheint, ist sie nondual -<br />

vielfältig und ein Nichts zu ein und derselben Zeit. Gewiss kann sie nur mit<br />

einem Schloss am Himmel verglichen werden, da sie sogar im Wachzustand<br />

gesehen und erfahren wird.<br />

Obwohl sie niemals erschaffen wurde, existiert sie so, als wäre sie erschaffen<br />

worden. Sie ist reines Bewusstsein. Sie scheint die Eigenschaften von Zeit,<br />

Raum, Materie, Aktivität, Schöpfung und Zerstörung zu besitzen. Sie verfügt<br />

über Götter, Dämonen, Menschen und vielfältige andere Formen von Leben.<br />

Es gibt in ihr Flüsse, Berge, Wälder, Himmel und Sterne.<br />

Ich betrachtete dieses „Feld der Beobachtung“. Gleichzeitig gewahrte ich da<br />

zusammen mit den Häusern all meiner Verwandten ein Haus, welches ich<br />

schon zuvor gesehen hatte, und dazu auch noch alles andere, wie es früher<br />

gewesen war. All dies war durch die latenten vāsanās oder psychologischen<br />

Neigungen in das Feld der Beobachtung hineingezogen worden. Aufgrund der<br />

vāsanā begann ich sofort, meine Verwandten usw. zu begrüßen und zu um-<br />

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