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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

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V:55<br />

Als Antwort auf Rāmas Frage betreffend das reine Sein erwiderte<br />

VASIåèHA:<br />

Wenn das Gemüt aufgrund der totalen Abwesenheit aller Ideen der materiellen<br />

Existenz aufgehört hat, dann existiert das Bewusstsein in seiner eigenen<br />

Natur als Bewusstsein, und dies ist, was als reines Sein bezeichnet wird.<br />

Sobald Bewusstsein, ohne jede Vorstellung von Objektivität, sich in sich selbst<br />

verliert und seine getrennte Identität verliert, wird es zu reinem Bewusstsein.<br />

Sobald alle äußeren (materiellen) und inneren (Vostellungs-) Objekte im<br />

Bewusstsein verschmelzen, ist da das reine Sein des Bewusstseins. Dies ist<br />

die höchste Sicht, die allen Befreiten zuteil wird, ob sie nun einen Körper zu<br />

besitzen scheinen oder nicht. Diese Sicht wird nur von demjenigen erfahren,<br />

der „erwacht“ ist, demjenigen, der sich in einem Zustand tiefer Kontemplation<br />

befindet, und demjenigen, der ein Mensch der Selbsterkenntnis ist. Sie<br />

wird nicht von der unwissenden Person erfahren. Weise und die Personen<br />

der Trinität sind in diesem Bewusstsein verankert. Oh Rāma – als Uddālaka<br />

diesen Zustand des Bewusstseins erlangt hatte, lebte er noch einige Zeit.<br />

Eines Tages entstand dann in seinem Gemüt der Wunsch: „Ich will diesen<br />

verkörperten Zustand aufgeben.“ Er begab sich in eine Berghöhle und setzte<br />

sich in die Lotosposition, mit halbgeschlossenen Augen. Er schloss die neun<br />

Tore des Körpers, indem er die Ferse gegen das Rektum presste usw. Er zog<br />

alle Sinne ins Herz zurück. Er hielt seine Lebenskraft (prāïa) an. Er hielt<br />

seinen Körper in einem Zustand vollkommenen Gleichgewichts. Er drückte<br />

die Spitze seiner Zunge gegen den Gaumen, Ober- und Unterkiefer waren<br />

leicht geöffnet. Sein Gewahrsein war nun weder innen noch außen, weder<br />

unterhalb noch außerhalb, weder mit Substanz behaftet noch leer. Er war in<br />

reinem Bewusstsein verankert und erfuhr reine Seligkeit in seinem Innern. Er<br />

hatte das Bewusstsein des reinen Seins erreicht – jenseits des Zustandes der<br />

Seligkeit. Sein gesamtes Sein war nun absolut rein geworden.<br />

Uddālaka blieb einige Zeit lang in diesem Zustand – wie eine Figur in einem<br />

Gemälde. Nach und nach, Tag um Tag, erlangte er die vollkommene Stille; er<br />

ruhte in seinem eigenen reinen Sein. Er hatte sich über den Zyklus von Geburt<br />

und Tod erhoben. Alle seine Zweifel waren beseitigt, irrige Gedanken hatten<br />

aufgehört, alle Unreinheiten seines Herzens waren fortgewaschen – er hatte<br />

den Zustand der Seligkeit erlangt, der jenseits jeder Beschreibung ist und in<br />

dem man sogar die Freuden eines Königs des Himmels als wertlos erachtet.<br />

In dieser Verfassung verblieb der Körper für einen Zeitraum von sechs Monaten.<br />

Danach gelangten eines Tag mehrere Göttinnen, geführt von Pārvati, an diesem<br />

Ort, um die Gebete eines ihrer Anhänger zu erwidern. Diese Göttin, verehrt<br />

sogar von den Göttern selbst, sah den Körper von Uddālaka, der von den<br />

glühenden Strahlen der Sonne ausgetrocknet war, und setzte ihn unverzüglich<br />

auf die Krone ihres Hauptes.<br />

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