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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

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IV:10<br />

Nachdem er von einer Verkörperung zur nächsten gewandert und alle möglichen<br />

Arten von Schicksalen ausgelebt hatte, praktizierte Śukra schließlich,<br />

beharrlich am Ufer eines Flusses stehend, sehr intensive Bußübungen.<br />

So verbrachte Śukra eine lange Zeit – vor seinem Vater sitzend und in Kontemplation<br />

versunken. Sein Körper war ausgezehrt. Währenddessen erzeugte<br />

der ruhelose Verstand eine Vielzahl aufeinanderfolgender Bilder von Lebensspannen<br />

- Geburt und Tod, Aufstieg in den Himmel und Abstieg zur Erde und<br />

das friedvolle Leben eines Einsiedlers. Er war so vertieft in sie, dass er sie als<br />

die Wahrheit betrachtete. Der Körper wurde zu Haut und Knochen, denn er<br />

war sämtlichen Unbilden des Wetters schutzlos ausgesetzt. Schon sein Anblick<br />

war entsetzlich. Und doch wurde er nicht von fleischfressenden, wilden<br />

Tieren verzehrt, denn er saß direkt vor dem Weisen Bh­gu, der in tiefe Meditation<br />

versunken war, und Śukra selbst hatte den Körper durch die Praxis des<br />

<strong>Yoga</strong> mit großer psychischer Kraft ausgestattet.<br />

VASIåèHA fuhr fort:<br />

Nach einhundert himmlischen Jahren der Kontemplation stand der Weise<br />

Bh­gu von seinem Sitz auf. Er sah seinen Sohn Śukra nicht vor sich, sondern<br />

nur den ausgetrockneten Körper. Der Körper sah abscheulich aus, denn in der<br />

Zwischenzeit war er zu einer Wohnstätte von Würmern geworden, die in<br />

seinen Augenhöhlen lebten und sich sehr schnell vermehrten. Tief bestürzt<br />

über das, was er sah, und ohne wirklich über den natürlichen Lauf der Dinge<br />

nachzudenken, war Bh­gu erfüllt von Zorn und verfluchte die Zeit dafür, diesen<br />

unzeitgemäßen Tod seines Sohnes verursacht zu haben.<br />

Die ZEIT (bzw. der Tod) erschien unverzüglich in physischer Gestalt vor<br />

dem Weisen. Die ZEIT hielt in der einen Hand ein Schwert und in der anderen<br />

eine Schlinge. Sie hatte eine undurchdringliche Rüstung. Sie besaß sechs<br />

Arme und sechs Gesichter. Sie war umgeben von einer großen Anzahl von<br />

Dienern und Boten. Die ZEIT strahlte mit den Flammen der Vernichtung, die<br />

von ihrem Körper ausgingen, und von den Waffen, die sie in Händen hielt.<br />

Ruhig und mit fester Stimme wandte sich die ZEIT an Bh­gu:<br />

Oh Weiser, wie kommt es, dass ein Großer wie du ein solch unwürdiges Betragen<br />

in Erwägung gezogen hat? Weise Männer sind niemals zornig – auch<br />

nicht, wenn sie beleidigt werden. Du hast jedoch das Gleichgewicht deines<br />

Gemüts verloren, obwohl niemand dich beleidigt hat! In Wirklichkeit bist du<br />

eine verehrungswürdige Person, und ich gehöre zu denjenigen, die sich stets<br />

an die vorgeschriebenen Verhaltensweisen halten. Und aus diesem Grunde<br />

grüße ich dich, nicht jedoch aus einem anderen Grund.<br />

Vertue nicht deine Verdienste durch die nutzlose Zurschaustellung deiner<br />

Macht zu verfluchen! Wisse, dass ich sogar von den Feuern der kosmischen<br />

Auflösung unberührt bleibe Wie kindisch ist angesichts dessen deine Hoffnung,<br />

mich mit deinem Fluch zu beseitigen!<br />

Ich bin die Zeit. Ich habe nicht nur zahllose Wesen getötet, sondern sogar<br />

die Götter, die dieses Universum regieren. Du Heiliger, ich bin der Essende<br />

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