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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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Der LEHRER sagte: Mein Sohn, was immer gesehen wird (die Objekte der<br />

Wahrnehmung), verdirbt, so wie die Traumwelt verdirbt, sobald du in den<br />

Tiefschlaf übergehst. Alle diese Welten mit ihren Bergen und ihren Himmelsrichtungen<br />

verderben gänzlich; ebenso die Zeit und die Tätigkeiten und die<br />

Weltordnung. Sämtliche Wesen verderben und sogar der Raum verschwindet,<br />

weil es niemanden gibt, der noch an Raum denkt oder der im Raum denkt.<br />

Sogar Götter wie Brahmā der Schöpfer, Viåņu der Erhalter und Rudra der<br />

Erlöser hören auf zu sein und existieren nicht einmal mehr dem Namen nach.<br />

Was bleibt übrig? Nur das unendliche Bewusstsein, obwohl auch dies nur ein<br />

Rückschluss auf eine frühere Erfahrung ist.<br />

Der SCHÜLER sagte: Es wird gesagt, dass das Unwirkliche nicht ins Dasein<br />

tritt und das Wirkliche kein Nicht-Sein hat. Wie ist dies zu verstehen, und wie<br />

verdirbt das, was wir sehen?<br />

Der LEHRER sagte: Mein Sohn, dieses vermag nicht zu verderben und daher<br />

sagt man : „Es wird nicht gesehen“. Man sagt, dass das Unwirkliche kein Sein<br />

und das Wirkliche kein Nicht-Sein hat. Was nicht überall und jederzeit existiert,<br />

ist bereits Nicht-Sein. Wie verdirbt es also ? Was ist an dem in der Luftspiegelung<br />

gesehenen Wasser dauerhaft und was ist dauerhaft in einer Illusion?<br />

Was auch immer hier im Universum gesehen wird, ist eine Illusion, und<br />

weshalb soll eine Illusion nicht aufhören? So wie Träume beim Erwachen an<br />

ein Ende gelangen und beim Schlafengehen der Wachzustand an ein Ende<br />

gelangt, so kommt auch diese Welterscheinung an ihr Ende. Wenn man aufwacht,<br />

wohin geht die Traumstadt? Genau so weiß man auch nicht, wohin die<br />

Welterscheinung gegangen ist.<br />

Der SCHÜLER fragte: Weshalb scheint all dies zu sein, und weshalb hört<br />

diese Erscheinung dann auf zu sein?<br />

Der LEHRER erwiderte: Es ist das unendliche Bewusstsein selbst, welches<br />

als all dies erscheint, denn unabhängig von ihm gibt es keine Welt. Auch wenn<br />

das Bewusstsein als all dies erscheint, so verliert es doch in keinen Augenblick<br />

seine eigene wahre Natur oder Identität. Sowohl Erscheinung als auch<br />

Nicht-Erscheinung sind Aspekte des Bewusstseins. Wenn beispielsweise<br />

deine Gestalt im Wasser reflektiert wird, so ist die Reflexion nur temporär,<br />

während es deine eigene Gestalt nicht ist. Träumen und traumloser Schlaf<br />

sind Aspekte des einen Schlafes – so sind auch Schöpfung und Auflösung<br />

Aspekte von Brahman.<br />

Der SCHÜLER sagte: In einem Traum gibt es jemand anderes als den Träumer<br />

(reines Bewusstsein nämlich, das nicht in den Träumer und den Traum<br />

geteilt ist). Ist es nicht möglich, dass es auf eben diese Weise jemand anderes<br />

als den Wahrnehmer der Weltillusion geben kann?<br />

Der LEHRER sagte: So ist es auch. Daher ist seine wahre Natur oder Gestalt<br />

nicht die Welterscheinung. Bewusstsein allein ist und beleuchtet alles, was<br />

ist, aber die Erscheinung wird von jemand anderem erfahren. Daher ist es die<br />

Synthese aller Widersprüche. Es beleuchtet nichts und es kann nicht einmal<br />

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