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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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VASIåèHA fuhr fort:<br />

Nun werde ich dir die Weltentstehung und ihr Geheimnis erläutern. Die Hörigkeit<br />

dauert so lange, wie man das wahrgenommene Objekt als wirklich<br />

ansieht. Sobald dieser Gedanke fallen gelassen wird, verschwindet auch die<br />

Bindung. Hier in dieser Welt wächst und stirbt nur das, was zuvor erschaffen<br />

wurde, und es geht dann entweder in den Himmel oder in die Hölle und es<br />

wird befreit.<br />

Während der kosmischen Auflösung wird die gesamte objektive Schöpfung<br />

in das unendliche Sein zurückgenommen, welches von den Weisen ùtmā,<br />

Brahman oder Wahrheit usw. genannt wird, um das Gespräch und den Meinungsaustausch<br />

darüber zu erleichtern. Dieses selbige unendliche Sein<br />

(Selbst) ersinnt in sich die Dualität von sich selbst und etwas anderem. Daraus<br />

entsteht das Gemüt, wie eine Welle auf dem stillen Ozean erscheint, der<br />

aufgewühlt wird. Denke jedoch stets daran, dass die Eigenschaften und die<br />

Natur des Geschaffenen sowie die Potentialität der Schöpfung dem Schöpfer<br />

selbst innewohnen; so wie ein goldenes Schmuckstück nichts anderes als<br />

Gold ist (obwohl Gold auch ohne das Schmuckstück existieren kann, so kann<br />

doch das Schmuckstück selbst nicht ohne das Gold oder ein anderes Metall<br />

existieren). Das Gemüt ist nicht verschieden (hat selbst keinerlei unabhängige<br />

Existenz) vom unendlichen Selbst.<br />

Ebenso wie eine Luftspiegelung täuschend echt als ein Fluss voll Wasser<br />

erscheinen kann, so erscheint diese Welt als gänzlich real. Solange man an<br />

dem Gedanken der Wirklichkeit von „du“ und „ich“ festhält, gibt es keine<br />

Befreiung. Der Gedanke der Wirklichkeit der Existenz verschwindet nicht<br />

dadurch, dass man diese bloß verwirft oder verbal verneint – im Gegenteil,<br />

eine solche Ablehnung wird zu einer Quelle weiterer Verwirrung.<br />

Rāma, wenn die Welt tatsächlich wirklich wäre, dann gäbe es keinerlei Möglichkeit<br />

ihres Aufhörens, denn es gilt das unveränderliche Gesetz, dass das<br />

Unwirkliche nicht wirklich ist und das Wirkliche nicht aufhört zu sein. Askese,<br />

Meditation und andere ähnliche Praktiken können daher weder ihr Aufhören<br />

verursachen noch die Erleuchtung herbeiführen. Solange die Wahrnehmung<br />

der Welt andauert, so lange ist sogar die Kontemplation (samādhi), in<br />

der es keinerlei Gedankenbewegung (nirvikalpa) gibt, unmöglich. Und auch<br />

wenn dies möglich sein sollte, so würde doch nach der Rückkehr aus dieser<br />

Kontemplation die Welt mit all ihrem Kummer sogleich wieder im Gemüt<br />

erscheinen. Es ist die Bewegung der Gedanken, die die Wahrnehmung erschaffener<br />

Objekte hervorruft.<br />

So wie die Essenz in allen Dingen existiert wie das Öl im Sesamsamen oder<br />

der Duft in den Blumen, so existiert die Fähigkeit der objektiven Wahrnehmung<br />

im Wahrnehmenden. So wie die Traumobjekte nur dem Träumer erscheinen,<br />

so werden die Objekte der Wahrnehmung vom Wahrnehmenden<br />

erfahren. Ebenso wie der aus der Saat hervorgegangene Keimling zur vorbestimmten<br />

Zeit erscheint, so manifestiert sich diese Potentialität als Idee oder<br />

Vorstellung der Schöpfung.<br />

III:1<br />

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