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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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ge der Täuschung. Auf dieselbe Weise sieht man im Zustand der Unwissenheit<br />

nur diese illusorische Welterscheinung, jedoch nicht deren Grundlage. Hat<br />

man jedoch diese Unwissenheit abgelegt, dann schwindet die illusorische<br />

Wahrnehmung. So wie ein ängstlicher Mensch sich nicht vor einem eingebildeten<br />

Tiger fürchtet, so fürchtet sich der Weise, der diese Welt nur als eine<br />

Idee oder Einbildung erkennt, vor nichts und niemandem. Wenn man weiß,<br />

dass die Welt nur die Erscheinung des eigenen Selbst ist – vor was sollte man<br />

sich dann fürchten? Sobald die eigene Sichtweise durch Ergründung gereinigt<br />

ist, schwindet das eigene getäuschte Verständnis dieser Welt.<br />

Durch klare Wahrnehmung und klares Verständnis wird die eigene Natur<br />

gereinigt und fortan nicht wieder unrein. Worin besteht dieses rechte Verständnis?<br />

Es besteht in der Erkenntnis, dass diese Welt nichts als eine Widerspiegelung<br />

(und daher eine Erscheinung) des reinen Bewusstseins ist und<br />

somit weder real noch irreal. Geburt, Tod, Himmel, Erkenntnis und Unwissenheit<br />

sind alles Widerspiegelungen von Bewusstsein. Ich, du, die zehn<br />

Himmelsrichtungen und all dies sind Bewusstsein – darin besteht das rechte<br />

Verständnis. Sobald es das rechte Verständnis gibt, taucht das Gemüt nicht<br />

länger auf und unter, sondern es erlangt den höchsten Frieden. Es ergeht sich<br />

nicht länger in Lob und Tadel, in Frohlocken und Niedergeschlagenheit, sondern<br />

bleibt stets kühl und ruht in der Wahrheit.<br />

VASIåèHA fuhr fort:<br />

Wenn man erkannt hat, dass der Tod für alle unvermeidlich ist, warum sollte<br />

man dann über den Tod von Verwandten oder das Nahen des eigenen Endes<br />

trauern? Wenn man erkennt, dass jedermann einmal in guten und dann<br />

wieder in schlechten Umständen ist – weshalb sollte man jubeln oder verdrossen<br />

sein? Wenn man erkennt, dass die lebendigen Wesen wie Wellen auf<br />

dem Ozean erscheinen und vergehen – wo ist dann noch Raum für Klage?<br />

Was wahr ist, ist auf immer wahr (was existiert, existiert auf immer), und was<br />

irreal ist, ist auf immer irreal – wo ist da die Ursache für Kummer?<br />

Das „Ich“ ist nicht, war nicht, und wird auch niemals sein. Der Körper ist<br />

aufgrund einer mysteriösen Täuschung entstanden und hat nur den Anschein<br />

von Existenz. Worin sollte die Ursache des Kummers bestehen? Sobald das<br />

rechte Verständnis der Wahrheit da ist, nämlich dass sogar wenn der Körper<br />

real wäre, das „Ich“ etwas anderes und nur eine Widerspiegelung des unendlichen<br />

Bewusstseins ist, gibt es keinen Kummer mehr.<br />

Daher sollte man seine Zuversicht, seine Hoffnungen und seine Bestrebungen<br />

nicht auf etwas heften, was irreal ist, denn solche Erwartungen sind eine<br />

Fessel. Oh Rāma, lebe in dieser Welt, ohne irgendwelche Hoffnungen zu hegen.<br />

Was getan werden muss, muss getan werden, und was unangemessen ist,<br />

soll aufgegeben werden. Lebe glücklich und spielerisch in dieser Welt ohne<br />

das Wünschenswerte und das Unerwünschte zu erwägen.<br />

Das unendliche Bewusstsein allein existiert überall und immer. Was zu sein<br />

scheint, ist nur eine Erscheinung. Sobald diese Erscheinung als solche erkannt<br />

worden ist, wird das, was IST, realisiert. Realisiere entweder: „Ich bin<br />

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