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Yoga Vasistha

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama. Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

Das Yoga Vasistha, eines der bedeutendsten Werke indischer Philosophie, ist ein Lehrgespräch zwichen dem legendären Rishi Vasishtha und dem Königssohn Rama.

Deutsche Übersetzung von Clemens Vargas Ramos.

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Unwissenheit oder dem Gemüt befreit ist, wird nie wieder durch das Gemüt<br />

gebunden – so wenig wie eine vom Baum gefallene Frucht wieder mit dem<br />

Baum verbunden werden kann. Auch im Fall der befreiten Person arbeitet der<br />

Körper auf seine natürliche Weise weiter. Das Bewusstsein dieses Menschen<br />

ist jedoch gefestigt und wird durch die Zustände des physischen Körpers<br />

nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Die durch Kontemplation usw. erlangten Kräfte können von anderen wahrgenommen<br />

werden, während der Zustand der Befreiung, den jemand erlangt,<br />

von anderen nicht wahrgenommen werden kann – so wie der Geschmack von<br />

Honig nur von einem selbst gekostet werden kann. Wenn jemand, der den<br />

Zustand der Bindung und auch Freude und Leid erfahren hat, von all diesem<br />

befreit ist, spricht man von ihm als einem Befreiten. Er wird als eine befreite<br />

Person angesehen, dessen inneres Bewusstsein kühl und friedlich ist; aber<br />

der ist in Bindung, dessen Herz und Gemüt verwirrt und unruhig sind; Bindung<br />

und Befreiung werden in den physischen Funktionen nicht bemerkt.<br />

Unabhängig davon, ob der Körper in tausend Stücke geschnitten oder zum<br />

Herrscher gekrönt wird, der Befreite ist befreit, sogar wenn er zu weinen<br />

oder zu lachen scheint. In seinem Innern ist er weder erfreut, noch ist er<br />

niedergeschlagen. Er erfährt weder Glück noch Unglück, obwohl er inmitten<br />

all dieser Erfahrungen zu leben scheint. Er ist nicht tot, auch wenn er tot ist,<br />

er klagt nicht, auch wenn er klagt, er lacht er, auch wenn er lacht – so ist ein<br />

Befreiter! Frei ist er von Anziehung und Abstoßung, auch wenn er angezogen<br />

oder abgestoßen ist. Er wird zornig, obschon er nicht zornig ist; er ist nicht<br />

getäuscht, auch wenn er getäuscht ist.<br />

VASIåèHA fuhr fort:<br />

In dem Befreiten tauchen Ideen wie „dies ist Glücklichsein“ oder „dies ist<br />

Unglücklichsein“ nicht auf. Sobald sie die Wahrheit realisiert haben, dass es<br />

weder „eine Welt“ noch „das Selbst“ gibt und dass das Eine das Alles ist, werden<br />

Worte wie „Glücklichsein“ und „Unglücklichsein“ bedeutungslos. Ihr<br />

Kummer ist oberflächlich, denn sie sind frei vom Kummer.<br />

Man sagt, dass Lord Śiva einen der fünf Köpfe von Lord Brahmā abgerissen<br />

habe. Brahmā hätte leicht einen neuen nachwachsen lassen können, um ihn<br />

zu ersetzen. Er tat es aber nicht, weil er wusste: „Wenn diese ganze Schöpfung<br />

illusorisch ist – was soll ich mit einem weiteren Kopf tun?“ Er hatte<br />

durch Tun nichts zu gewinnen und durch Unterlassen nichts zu verlieren.<br />

Was auch immer geschehen mag – lasst es so geschehen; warum sollte es<br />

anders sein?<br />

Lord Śiva hat als eine Hälfte seines Körpers seine Gemahlin, obgleich er die<br />

Macht besaß, sogar den Gott der Liebe zu verbrennen. Er besitzt die Macht,<br />

alle Anhaftungen und Zuneigungen fallen zu lassen, verzichtet aber darauf<br />

und tut, als hinge er an seiner Gemahlin. Weder gewinnt er etwas durch Anhaftung,<br />

noch gewinnt er etwas durch Nicht-Anhaftung. Lasst es sein, wie es<br />

ist!<br />

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