Yoga Vasistha

VI.2:33
Mit Hilfe meiner Anweisungen wird dein Verständnis fest und unerschütterlich
werden, sobald du zu erkennen vermagst, dass das „Ich“ nicht existiert.
Die Welt und das „Ich“ existieren nur als Ideen, weder als Tatsachen
noch als Realität. Sie hören auf, sobald man ergründet: „Wer bin ich?“ und
„Wie ist diese Welt entstanden?“ Die Realisierung der Nicht-Existenz des „Ich“
ist nirvāņa oder Befreiung. Das Licht dieser Erkenntnis vertreibt die Finsternis
der Unwissenheit. Daher sollte man bis ans Ende des Lebens ergründen:
„Wer bin ich?“ - „Wie konnte diese Welt entstehen?“ - Was ist der jīva oder die
individuelle Persönlichkeit?“ und „Was ist das Leben?“ wie es von den Wissenden
gelehrt wird. Wenn du dich der Gemeinschaft der Wissenden anvertraust,
wird das Licht ihrer Selbsterkenntnis die Finsternis der Unwissenheit
mitsamt ihrem Gefolge einschließlich des Ich-Sinns vertreiben. Bleibe daher
in ihrer Gesellschaft.
Suche Zuflucht zu diesen Wissenden in der Abgeschiedenheit, nicht in der
Öffentlichkeit. Denn dein Verständnis kann gehemmt oder verwirrt werden,
wenn verschiedene Leute ihre verschiedenen Standpunkte zum Ausdruck
bringen. Der weise Mensch soll sich dem Wissenden privat nähern, die Wahrheit
hören und über diese Wahrheit kontemplieren. Diese Kontemplation
wird die Wolken des konzeptionellen Denkens und der Ideen, die einen
Schatten auf das Bewusstsein werfen, zerstreuen.
VASIåèHA fuhr fort:
Sobald jemand durch Eigenbemühung und in der Gemeinschaft mit Heiligen
Weisheit erlangt hat, hört die Ausbreitung dieser Welterscheinung in seinem
Bewusstsein auf. Ideen tauchen im Bewusstsein auf, und wenn ihnen eine
konträre Idee entgegengehalten wird, werden die ersteren einer radikalen
Verwandlung unterzogen. Befreiung besteht in der totalen Aufgabe sämtlicher
Konzepte und Ideen. Möglich wird diese totale Aufgabe, indem man
aufhört, Vergnügen zu erstreben. Nach und nach hören Vorstellungen und
Ideen auf zu erscheinen und sich zu verbreiten, wenn man sich entschlossen
hat, in seinem Gemüt Worte nicht mehr mit Bedeutungen zu verknüpfen –
seien diese Worte nun von anderen geäußert worden oder im eigenen Verstand
aufgetaucht.
Die Aufgabe des Ich-Sinns bedeutet das Aufhören der Unwissenheit – darin
und in nichts anderem besteht die Befreiung. Ob diese Welt nun existiert oder
nicht existiert, ihre Wahrnehmung oder Anerkennung durch das Gemüt führt
zu Kummer. Ihre Nicht-Wahrnehmung dagegen bedeutet Seligkeit. Für alle
verkörperten Wesen gibt es zwei Arten von Krankheit: Die erste bezieht sich
auf diese Welt und die zweite auf die nächste Welt. Für die in dieser Welt
auftretenden Krankheiten suchen die unwissenden Menschen noch vor dem
Ende ihres Lebens Abhilfe zu schaffen. Für die Probleme im Leben danach
jedoch existieren keine Heilmittel, und daher ist das Vertrauen darauf gänzlich
nutzlos. Wer nicht in dieser Welt Abhilfe für diese schreckenerregende
Krankheit namens Unwissenheit gefunden hat, kann sie auch nicht finden,
nachdem er diese Welt verlassen hat. Verschwende daher nicht deine Zeit
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